Oberhausen. “Das wird mir einfach in den Garten gesetzt“: Bei einer Bürgerversammlung zu den geplanten Flüchtlingsheimen in Oberhausen kochten die Emotionen über.
Es war mit Sicherheit die bisher emotionalste und für die Stadtspitze schwierigste Bürgerversammlung der vergangenen Jahre: Die zwei von der Stadtspitze geplanten neuen Standorte für Heime mit jeweils hundert Flüchtlingen an der Osterfelder Kapellenstraße (Zirkusplatz) und am Rande des Naturschutzgebietes Sterkrader Heide (Sperberstraße) sind die in der Bevölkerung umstrittensten Beschlüsse des Rathauses zu diesem Thema. Denn an beiden Standorten rückt die Stadt mit den neuen Behausungen für die oft in blanker Not befindlichen Flüchtlinge sehr nahe an die Wohnbebauung der alt eingesessenen Bürger heran.
So drängten sich auch über 300 Oberhausener in die kleine Osterfelder Auferstehungskirche – und diskutierten zweieinhalb Stunden darüber, ob die Standortwahl sinnvoll und wirklich alternativlos ist.
Wertverlust der Eigenheime
„Das wird mir jetzt einfach so in den Garten gesetzt. Ich muss nun die Lautstärke von über 100 Menschen ertragen“, sagt eine Anwohnerin der Sperberstraße. „Ich habe viele Jahre für mein Häuschen gespart, das kriege ich jetzt doch nur mit Verlusten verkauft.“ Sozialdezernentin Elke Münich wurde frontal angegangen: „Wollen Sie so ‘was in Ihrem Garten haben?“ Man arbeite fleißig, wolle sich dann mal im Garten ausruhen und sei dann mit 100 fremden Menschen konfrontiert. Unterbrochen wurden diese Äußerungen mit lautstarkem Beifall und zustimmenden Ausrufen.
Eine Mutter schilderte aufgeregt angeblich frühere Erfahrungen mit Südosteuropäern, von Klauereien und einer Beinahe-Vergewaltigung ihrer Tochter. Pfarrer Thomas Witt-Hoyer musste als Moderator immer wieder darum bitten, „Stil und Höflichkeit zu bewahren“.
Münich und Immobilien-Dezernent Jürgen Schmidt blieben trotz der hitzigen Atmosphäre erstaunlich ruhig, sie erläuterten sachlich immer wieder stürmische Fragen. Münich gab entwaffnend zu, dass es manchmal keine befriedigenden Lösungen für alle gibt. „Ich will mich nicht rausreden, die Flüchtlinge rücken näher an Ihre Eigenheime heran. Bei 100 Leuten kann es laut sein. Ich kann Ihnen die Ängste nicht nehmen. Auch bei uns gibt es Kriminelle, auch unter den Flüchtlingen kann es Böse geben.“ Doch was viele Bürger in der Kirche gerne gehört hätten, hören sie nicht: Die Stadtspitze wird an den Standorten für die Wohncontainer festhalten; die Beschlüsse werden nicht gekippt. Zu sehr ist die Stadt in der Zwangslage, eine noch unbekannte Zahl an Flüchtlingen menschenwürdig unterzubringen: Über Nacht werden sie zentral vom Bund der Stadt Oberhausen zugewiesen.
Rathaus: Der Platz ist ausreichend
Aber ist die Fläche nicht zu klein? Nein, der Platz sei ausreichend, sagt das Rathaus. Ist die Fläche an der Kapellenstraße nicht mit Altlasten vergiftet? Nein, von der Fläche gehe keine Gefahr aus. Sind leere Schulgebäude, Turnhallen und leere Baumärkte nicht besser geeignet? Nein, in einem Raum müssten mehr als eine Familie untergebracht werden, Badezimmer, Gemeinschaftsräume seien nicht vorhanden, der Umbau zu teuer. Gibt es keine geeigneten Orte weit weg von Wohnbebauung? Nein, Oberhausen sei nun mal die zweitdichtest besiedelte Stadt von NRW. Stand die Entscheidung nicht vorher fest, sind die Kriterien nicht halbgar? Nein, die Stadt beteuert, nach harten Kriterien intensiv 32 mögliche Standorte geprüft und 28 aussortiert zu haben.
Einzelne versuchten auch, für die künftigen neuen Nachbarn der Oberhausener zu werben. „Die Menschen können eine Bereicherung für uns alle sein“, sagt Ratsfrau Andrea-Cora Walther (Bürgerliste). Und Sabine Köther von der Caritas: „Es gibt erschreckend viele Vorurteile, doch die meisten Flüchtlingsfamilien sind supernett, die sich über eine Einladung freuen.“ Beifall gab es auch hier.
Doch das nützte wenig: Noch vor Ende verließen zahlreiche Anwohner der neuen Standorte verärgert die Kirche. Sie finden die Standort-Entscheidung schlichtweg falsch.