Oberhausen. Das eindeutige Nein zur Straßenbahnprojekt Linie 105 in Oberhausen hat eine tiefere Ursache: Man glaubt den Verantwortlichen in der Stadt nicht mehr.
Das landesweite Echo auf das endgültige Aus für die neue schnelle Nahverkehrsverbindung ist noch verheerender als es sich Befürworter zuvor für den Fall einer Niederlage schwarz gemalt hatten.
Außerhalb Oberhausens kann kaum einer begreifen, wie sich eine ganze Großstadt eine solche Chance zugunsten einer besseren Infrastruktur entgehen lässt, deren Straßen-, Kanal-, Schienen- und Breitbandnetz nicht gerade auf höchstem Niveau glänzt. Die starken Ängste der Oberhausener vor neuen Kostenbelastungen in einer seit Jahrzehnten von Spardiskussionen und Schuldenblamagen geschüttelten Stadt kennen diese Kritiker eben nicht, weil sie das Leben hier nicht hautnah verfolgen.
Trotz Werbekampagne hat es nicht gereicht
Die klare Ablehnung der Oberhausener hat ihre tiefere Ursache allerdings in einem massiven Vertrauensverlust, der nicht nur die Parteien trifft, sondern praktisch alle etablierten honorigen Institutionen in der Stadt. Betroffen davon sind fast alle Verbände, Vereinigungen und Organisatoren, die die Verantwortung in der Stadtgesellschaft tragen.
Die Befürworter der Linie 105 waren zu recht stolz darauf, sonst so kontrovers miteinander diskutierende Gesellschaftsvertreter als Bündnispartner gefunden zu haben: Kirchen, Gewerkschaften, Betriebsräte, Sozialverbände, Grundstückseigentümer, Naturschützer, Einzelhändler, Wirtschaftskammern, Radlerclubs. Trotz massiver Werbekampagne schaffte es dieses breite Bündnis aber noch nicht einmal, zehn Prozent der Wahlberechtigten für eine Ja-Stimme zu gewinnen.
Kluft zwischen Stadtverantwortlichen und Bürgern
Das Debakel demonstriert die tiefe Kluft zwischen Stadtverantwortlichen und Bürgern. Man traut denen da oben nicht mehr, man glaubt, die steckten alle unter einer Decke, sie machten das alles nur, um ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen. In solch einer Atmosphäre, in der man den Handelnden stets böswillige Absichten unterstellt, können selbst sinnvolle Gemeinwohlprojekte nicht mehr auf Akzeptanz stoßen. Deshalb müssen alle Verantwortlichen versuchen, diese Stimmung zu drehen, denn langfristig gefährdet sie das demokratische Gemeinwesen.
Das Problem: Solch eine Stimmung kann man nicht zügig mit Logik und Fakten kontern, sondern nur äußerst langsam. Eine völlige Verhaltensänderung über lange Zeit ist unabdingbar. Offenheit und Diskussionsangebote für alle Bürger von Anfang an, genaues Zuhören und sachliches Argumentieren statt Beschimpfungen Andersdenkender gehören dazu. Doch ein einfaches Rezept gibt es nicht.