Oberhausen. Bernhard Klockhaus von der Stadtverwaltung Oberhausen beantwortet Fragen der Redaktion zu den geschätzten Verkehrszahlen auf einer verlängerten Straßenbahnlinie 105.

Zusammen 5800 neue Arbeitsplätze im Gewerbegebiet Waldteich und auf dem ehemaligen Stahlwerksgelände, dazu 900 neue Einwohner in Sterkrade und 750 im geplanten „Wohnpark Ripshorst“ – prognostizierte Zahlen aus der Standardisierten Bewertung für die Straßenbahnlinie 105, die die Oberhausener CDU stark anzweifelt. Worauf gründen sich die Zahlen? Sind sie realistisch? Wir fragten dazu Bernhard Klockhaus, im Rathaus zuständig für städtebauliche Sondermaßnahmen.

Wie wurden die Prognosen zu den Arbeitsplätzen für die Bewertung ermittelt?

Zum Stahlwerksgelände entstammen sie einem Verkehrsgutachten aus dem Jahr 2008, in dem mehrere Szenarien betrachtet wurden. Das Szenario mit den Schwerpunkten auf Freizeit- und Gewerbenutzungen mit insgesamt rund 3800 Ar­beitsplätzen auf dem gesamten Gelände (also inklusive der bereits vorhandenen Nutzungen) wird als realistisch eingeschätzt und durch die bisherigen Ansiedlungen sowie Bauvoranfragen bestätigt. Die Prog­nose erfolgte auf der Grundlage spezifischer Arbeitsplatzdichten der geplanten Nutzungen, die aus umfangreichen empirischen Un­tersuchungen bekannt sind.

Beim Gewerbegebiet Waldteich setzen sich die rund 2000 Arbeitsplätze aus zwei Teilen zusammen: Nordwestlich der A 3 ist die Errichtung eines Röhrenlagers von Thyssen-Krupp mit 400 Arbeitsplätzen geplant. Der zugehörige Bebauungsplan Nr. 605 ist rechtskräftig.
Östlich der A3 ist auf einer etwa 55 Hektar großen Fläche die Ansiedlung von Logistikgewerbe beabsichtigt, der Aufstellungsbeschluss für den entsprechenden B-Plan Nr. 642 gefasst. Bei vergleichbaren Logistikflächen sind üblicherweise rund 30 Arbeitsplätze pro Hektar zu beobachten, woraus sich die Prognose von etwa 1600 Arbeitsplätzen ergibt.

Die geplante Linienführung der „105“.
Die geplante Linienführung der „105“. © wnm

Was ist, wenn die Zahlen deutlich geringer ausfallen oder sich dort erst mal gar nichts tut?

Die Entwicklung auf dem Gelände Weierheide/Waldteich ist für die Bewertung der Linie 105 nicht relevant, da sich auch unter Berücksichtigung der prognostizierten Entwicklung auf diesem Gebiet kein Neuverkehr für die Linie 105 ergibt. Sollte sich das Gebiet nicht wie erwartet entwickeln, wirkt sich dies nicht auf den Nutzen-Kosten-Indikator aus. Würde hingegen das Stahlwerksgelände im heutigen Zu­stand verbleiben, ist mit einem Rückgang des prognostizierten Neuverkehrs zu rechnen. Dies führt zu einer Reduzierung des Nutzen-Kosten-Indikators, der dennoch einen Wert deutlich über der von Bund und Land verlangten Mindestzahl von 1,0 erreichen würde. Der volkswirtschaftliche Nutzen der Linie 105 ist also nicht von den prognostizierten Einzelentwicklungen auf den genannten Flächen abhängig.

Der Kosten-Nutzen-Faktor liegt dann also noch deutlich über 1,0 – geht das aber bitte etwas genauer?

Die Berechnungen müssten hierzu komplett neu aufgestellt werden. Allerdings wurde die Betrachtung vom Zuwendungsgeber (Bund und Land) nicht gefordert – weil dieser auch zu der Einschätzung gelangt ist, dass eine ausbleibende Besiedelung unschädlich für den Nutzen-Kosten-Indikator wäre.

Wurde in der Bewertung zu optimistisch kalkuliert?

Nein, es wurden seriöse Grundlagen ermittelt und seitens der Zuwendungsgeber bestätigt. Der wesentliche Nutzen der Strecke, der Linie 105 ergibt sich aus den bestehenden Verkehrsbeziehungen zwischen Oberhausen und Essen und nicht aus der zusätzlichen Nachfrage auf den genannten Gewerbeflächen.

1650 zusätzliche Einwohner am Waldteich und in Ripshorst – ist das nicht reines Wunschdenken?

Irrtümlich wurde die Wohnbebauung „Waldteich“ angegeben. Richtig muss es „Wohnbebauung Zeche Sterkrade“ heißen. Und in der Tat, auf der Grundlage der Wohnflächenausweisung des Bebauungsplans Nr. 595 werden 900 zusätzliche Einwohner erwartet. Ähnliches gilt für die neue Wohnbebauung Ripshorst. Grundlage ist der Bebauungsplan Plan Nr. 439.

Die Stoag geht von 8400 zusätzlichen Fahrgästen aus, davon 6770 „Umsteiger“ von Pkw auf Bus und Bahn. Ist das denn realistisch?

Auf allen denkbaren Verbindungen werden Fahrtzeiten im Pkw-Verkehr und Fahrtzeiten sowie Um­steigehäufigkeiten im ÖPNV für das Liniennetz mit und ohne Linie 105 berechnet. Für einige Verbindungen ergibt sich ein verändertes ÖPNV-Angebot (mehr Fahrten, weniger Umstiege, kürzere Reisezeit) durch die Linie 105. Für diese (und zwar nur diese) Verbindungen wird aus der Reisezeitverbesserung und dem Vergleich mit der Pkw-Reisezeit der Anteil der Fahrten berechnet, der sich vom Pkw-Verkehr zum ÖPNV verlagert. Die zugrunde liegende Formel ist in der Verfahrensanleitung vorgegeben und auf Grundlage zahlreicher Erfahrungen aus vergleichbaren Projekten entstanden und immer weiter entwickelt worden, so dass sie das (Umsteige-)Verhalten der Fahrgäste bei Angebotsverbesserungen realistisch wiedergibt.

Aus der Summe aller Verbindungen ergibt sich dann abschließend der gesamte Neuverkehr von 8400 Fahrten am Tag. Zu beachten ist, dass der Prognosehorizont bei allen Zahlen das Jahr 2025 ist.