Oberhausen. Die Oberhausener Gedenkhalle hat die Erinnerungen des ukrainischen Zwangsarbeiters Iwan Tkatsch mit spannenden und bewegenden Berichten herausgegeben.

Was für ein Schatz bei ihm in der Schublade lagerte, ahnte Rolf Junghanns lange Zeit nicht. Bei einem Aufenthalt in der Ukraine „hatte ein Freund mir einen Stapel Zettel in die Hand gedrückt“, erzählt der Übersetzer aus Karlsruhe. Aber irgendwann schaute sich Junghanns das Manuskript dann doch genauer an, las sich fest, kämpfte sich als Russischkundiger durch das Ukrainische. „Und ich dachte: Das muss veröffentlicht werden.“

Was Junghanns so elektrisierte und was er ins Deutsche übersetzte, liegt jetzt als Buch vor: Die Erinnerungen des Ukrainers Iwan Tkatsch aus Kriwoi Rog, die von seinem Einsatz als Zwangsarbeiter im Ruhrgebiet und im übrigen „Deutschen Reich“ während des Zweiten Weltkriegs handeln.

Bei seiner Suche nach Mitstreitern und Herausgebern stieß Junghanns auf die Oberhausener Gedenkhalle. „In unserer Ausstellung haben wir den Schwerpunkt Zwangsarbeit im Nationalsozialismus gesetzt, den es so in keiner anderen Gedenkstätte gibt“, erläutert Clemens Heinrichs, Leiter der Gedenkhalle und Herausgeber des Bandes. „Deshalb passt der Erfahrungsbericht gut ins Konzept unserer wissenschaftlichen Schriftenreihe. In der wollen wir das Thema Zwangsarbeit noch vertiefen.“ So wird im dritten Band die Geschichte eines niederländischen Zwangsarbeiters im Mittelpunkt stehen, der in Oberhausener Firmen im Einsatz war, kündigt Heinrichs an.

Andere Quellen sind oft amtlich

Aber zurück zu Iwan Tkatsch, der seinen Bericht rund 40 Jahre nach Kriegsende niederschrieb. Eine Herausforderung auch für Jens Adamski, Historiker von der Ruhruniversität Bochum, der die Bearbeitung des Buches fachlich begleitete. Er und Junghanns recherchierten vor Ort, vollzogen die Erinnerungen des Ukrainers in Archiven nach, hatten Kontakt mit der Tochter von Iwan Tkatsch und banden über Fußnoten-Kommentare das Erzählte in den historischen Kontext ein.

Was das Buch für den Forscher Jens Adamski so wertvoll macht: „Andere Quellen zum Thema Zwangsarbeit sind oft sehr amtlich, zwar sehr aussagekräftig, aber dabei kommen die persönlichen Empfindungen zu kurz.“ Der Zeitzeugenbericht sei in klarer, nicht verschachtelter Sprache verfasst und darum so gut zugänglich.

Was aber alle, die an der Herausgabe gearbeitet haben, so bewegt, ist der Blick, den der ehemalige ukrainische Zwangsarbeiter auf seine Lage und seine Erlebnisse hatte. „Der ist sehr ausgeglichen, sehr differenziert“, sagt Adamski und Rolf Junghanns ergänzt: „Er hat die Menschen nicht in Freund und Feind eingeteilt, hat nicht in Schablonen gedacht.“

Das Buch ist im Oberhausener Verlag Karl Maria Laufen erschienen: Verleger Wilhelm R. Kurze arbeitet schon lange mit der Gedenkhalle zusammen. Der Band kostet 22 Euro (ISBN 978-3-87468-320-3).