Oberhausen. Centro-Promenade, Altmarkt, Gdanska, Ebertbad und Theater: Überall klirrten die Sektgläser. Doch die lange Reise durch das feiernde Oberhausen zeigte: Jede Lokalität hatte ihre besonderen Rituale.
Silvester im gemütlichen Partykeller oder in der trubeligen Disco? Anstoßen mit Sekt oder doch mit der Bowle? Das ist eine Typenfrage. Wir sind in der Silvesternacht durch die Stadt gereist und haben dabei Leute getroffen, für die Silvester ganz unterschiedlich verlief.
Die Schlangensteher
Das Jahr liegt in den letzten Zügen. Und doch hört eines nicht auf: Das in der Schlange stehen! Sie stehen, stehen und: stehen. Auf der Centro-Promenade warten kleine Rudel vor 21 Uhr auf Einlass. Manche Partys beginnen hier spät, erst jetzt. Also wird der Kragen der schicken Garderobe kontrolliert. Das Hemd zurecht gezupft. Die Frisur kontrolliert. Es ist nicht frostig. Aber im Mini-Kostüm für manche Dame trotzdem zum Bibbern. Gentlemen wärmen durch behutsames Streicheln Arme mit Gänsehaut der Partnerin auf. Und diese Schlange, wer kann sie bändigen? Musik erschallt aus den Lokalen. Es tut sich was. Bewegung. Schlange beschwört.
Die Knallfrösche
In der Innenstadt herrscht eine seltsame Stimmung: Tote Hose in manchen Gassen. Schallende Musik aus offenen Fenstern anderswo. Auf der Stöckmannstraße treiben es manche bunt. Brummende Feuerwerkkreisel drehen sich auf dem nassen Asphalt. Dabei ist noch gar nicht Mitternacht. Ein Scheppern aus Richtung Friedrich-Karl-Straße beweist: Knallfrösche sind unterwegs. Die Teenie-Schmachtband „Take That“ sang einst „Patience“, das bedeutet Geduld. Knallerbesitzer haben es wohl nicht so sehr mit britischen Herzensbrechern. Sie orientieren sich an Schmusesänger Lionel Richie. „All Night long“. Die ganze Nacht lang. Kawumms!
Die Tablettartisten
Hunderte Bedienungen tragen in Oberhausen Tabletts durch enge Gänge. Balancieren ihre Fracht an wankenden Hobby-Tänzern vorbei. Und weichen in artistischer Manier plötzlich ausschwenkenden Armen aus. Kurz: Sie arbeiten hart, während andere feiern. Gibt es da ein Trainingscamp für wuselige Silvesternächte? „Nein, das ist Erfahrung“, sagt man auf der Centro-Promenade zwischen Abräumen und Aufladen. Zum Palavern bleibt keine Zeit. Der eingeschüttete Sekt darf nicht warm werden. Um kurz vor Zwölf ist das prickelnde Nass ein Selbstläufer. Aber er läuft eben nicht selbst. Schon huscht das nächste Tablett, getragen von beschäftigten Fingern, gen Tische. Dieser Weg wird kein leichter sein.
Die Angsthasen
Wie bitte, heute ist Silvester? In den Parkhäusern in der Neuen Mitte ist es recht leer. Im Parkhaus hinter der Arena stehen um 21 Uhr vier Autos. Viele fahren Bus. Da wähnen sich ängstliche Parker ob dieser Leere eher im einsamen Horrorfilm als auf einer trubeligen Neujahrsparty.
Die Spielkinder
Discjockeys und Musikbands sind die Spielkinder der Silvesternacht. Die Gruppe „Welcome“ räumt auf dem Altmarkt ab. Für ihr Solo „With a Little Help from My Friends“ von der kürzlich verstorbenen Rock-Ikone Joe Cocker gibt es auf dem gut gefüllten Altmarkt Sonderapplaus. Ab 22 Uhr stehen die Gäste eng zusammen. Im Falstaff pilgern die Besucher nach der Theater-Vorstellung „So viel Zeit“ auf die Tanzfläche. Dazu: Musik von Helene Fischer bis Led Zeppelin. Im Ebertbad legt DJ Fiskus auf und kassiert Anerkennung. Die Tanzfläche ist rappelvoll, ausverkauft. Zuvor, blanker Spaß: „Ganz oder gar nicht“ vertreibt die Miesepeter.
Die Chefs
Feier-Abend? Von wegen! Die Organisatoren haben viel zu tun. Gdanska-Wirt Czeslaw Golebiewski: „Der Tag begann um 5.30 Uhr und endet wohl auch dann.“ Doch es lohnt. „Silvester ist der Tag, an dem so viele Wünsche und Gedanken zusammenkommen.“
Die Kreativen
Hingucker der Nacht: Ein Rucksack, der Musik macht. Vile Kipke (25) hat ihn gebaut. Der Student der Elektrotechnik brachte sein Werk von einer Privatfeier auf den Ebertplatz. In den Rucksack baute er eine Musikanlage ein. Mehr noch. Das gute Stück sorgte auf Knopfdruck für Nebelschwaden, so wie es sie in der Disco gibt. Dazu blinken bunte Lichter. Arbeitstitel: „Box2“. Der Essener plant schon weiter: „Vielleicht kann sich die Box bald eigenständig bewegen und dem Besitzer folgen.“ Toll! Auch anderswo wird experimentiert. Mit riesigen Wunderkerzen wird in den Himmel geschrieben. Frohes Neues, ihr Kreativen!