Oberhausen.. Der tote Junge, der am Samstag auf dem Hof eines Hauses an der Mülheimer Straße gefunden wurde, starb durch massive Gewalteinwirkung.

Der tote Säugling lag nackt neben Mülltonnen auf einem Hof an der Mülheimer Straße. Es war Selvaratnam Suthanthirakumat, Mitarbeiter eines Imbisses, der den allenfalls wenige Stunden alten Jungen dort am Samstag gegen 12.30 Uhr entdeckte und der sofort die Polizei alarmierte. „Ich dachte zuerst an eine Puppe“, sagt Suthanthirakumat. „Manchmal werfen Kinder Puppen aus den Fenstern“, zeigt er auf die umliegenden Häuser, die an den geschlossenen Innenhof grenzen.

Die vermeintliche Puppe jedoch war ein Kind. Das erkannte auch Imbiss-Kunde Mehmet Ersin sehr rasch, der auf Suthanthirakumats Schreckensruf hin auf den Hof eilte. „Ich habe nur einmal darauf geschaut, dann kam mir alles hoch“, sagt der Mann, der nun dieses Bild nicht mehr aus dem Kopf kriegt.

Massive Gewalteinwirkung

Dabei wirkte das Kind äußerlich unversehrt. Es starb jedoch durch massive Gewalteinwirkung allenfalls wenige Stunden nach der Geburt. Zur genauen Todesursache möchte die Polizei, die unter Leitung des Präsidiums Essen eine Mordkommission gründete, noch nichts sagen. Ein Polizeisprecher erklärte allerdings: „Wenn sie jemandem mit einem Baseballschläger oder Brett vor den Kopf schlagen, ist das nicht unbedingt sofort zu erkennen.“

Während die Polizei nun nach Zeugen sucht für das Unfassbare, was da geschah, tobt auf Facebook bereits der Mob, wird gar der Tod der Mutter gefordert. Aber warum bringen Frauen ihre Kinder um? Wobei im besonderen Fall ja gar nicht klar ist, wer das Kind tötete.

Frauen werden oft in die Enge getrieben

„Es hat sie immer gegeben, die Kindsmörderinnen“, sagt Prof. Dr. Matthias Rothermundt, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie am Evangelischen Klinikum Niederrhein. Er führt psychotische Erkrankungen oder soziale Aspekte für dieses Durchbrennen aller Sicherungen an. Früher sei es der gesellschaftliche Tod gewesen, ledig schwanger zu werden. Noch heute sei das in Gruppen, die konservativer dächten, bei denen man unbefleckt in die Ehe ginge, ein Problem. „Es gibt extreme gesellschaftliche Zwänge, durch die Frauen sich so in die Enge getrieben fühlen, dass sie die Tötung ihres Kindes als einzigen Ausweg sehen“, weiß der Psychiater. „Allein, dass eine solche Handlung für jemanden, der nachdenkt, nicht nachzuvollziehen ist, zeigt, die absolute Ausnahmesituation.“

Von einer „psychischen Ausnahmesituation, einer Verzweiflungstat“, spricht auch Susanne Knörle von der „Erzieherischen Jugendhilfe“ der Stadt. Zu einem überlegten, gezielten Handeln seien die betroffenen Frauen nicht mehr in der Lage. Das aber bräuchten sie, um ihr Kind zum Beispiel in einer Babyklappe abzulegen.

Babyklappe oder anonyme Geburt

Eine Babyklappe gibt es am Evangelischen Krankenhaus Oberhausen seit zehn Jahren. „Zehn Kinder wurden in dieser Zeit bei uns abgelegt, das letzte im Juli dieses Jahres“, sagt Dr. Peter Beyer, Chefarzt der Kinderklinik.

Eine Alternative zur Babyklappe ist die anonyme Geburt. 22 solcher Geburten gab es in den vergangenen zehn Jahren am St.-ClemensHospital in Sterkrade.

Diese Angebote nehmen Frauen oft jedoch nur in Anspruch, wenn sie nicht völlig allein dastehen. Susanne Knörle erzählt von einer Schwangeren, die erst im neunten Monat zum Jugendamt kam und fragte, ob sie ihr Kind zur Adoption freigeben könnte. „Die Frau hatte eine Freundin, die sie begleitete. Ohne die Freundin hätte sie es nicht zu uns geschafft.“