Ästhetik-Professor Bazon Brock hielt die Laudatio bei der Verleihung des Ruhrpreises der Stadt Mülheim an Christoph Schlingensief

Leiden, so heiße es immer, werde durch Kunst erst schön, eröffnete Bazon Brock im Festsaal der Sparkasse seine Laudatio auf Christoph Schlingensief. Doch diese Feststellung sei in dem Augenblick hinfällig, in dem es ernst werde. Tödlich ernst. Wie bei dem 48-jährigen Filmemacher, Bühnenregisseur und Aktionskünstler, bei dem 2008 Lungenkrebs diagnostiziert worden war. Aus der Erfahrung dieser Erkrankung, die schon einmal überwunden schien, hatte Schlingensief sein Stück „Eine Kirche der Angst vor dem Fremden in mir” geschaffen.

Bevor Kunst- und Ästhetikprofessor Bazon Brock das Rednerpult eroberte, würdigte Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld den Kulturmacher als einen der bedeutendsten Künstler im deutschsprachigen Raum. Sie hielt eine kleine Rückschau auf die Vita des gebürtigen Oberhauseners, der in seiner Wahlheimatstadt Mülheim als Assistent des Filmemachers Werner Nekes seine kompromisslose Karriere begann. „Als Allround-Künstler ist er immer an physische und psychische Grenzen vorgestoßen”, meinte Dagmar Mühlenfeld in Anwesenheit von Schlingensiefs Mutter und anderen Verwandten.

Im Gegensatz zu Castorf, Grass oder Peymann und anderen „Blödmännern” und „Laberköpfen” – ließ Brook an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig –, im Gegensatz zu der allgegenwärtigen „unerträglichen Phrasendrescherei” setzte Schlingensief auf die Realitätserfahrung des Leidens und auf dessen Reflexion, auf die Kraft des eigenen Erlebens. Dem „Allmachtswahn auf der Bühne” setze er den Einspruch der Wirklichkeit entgegen.

Der Preisträger, der mit einer Stau-Verspätung von einer halben Stunde angekommen war, tauchte in seiner munteren Dankesrede noch einmal in die Finsterwelt der Krankheit ein, um dann eine Kerze der Zuversicht auch für alle Anwesenden zu entzünden: Nach der jüngsten Untersuchung scheint der Krebs endlich besiegt zu sein.