Mülheim.. Der Erfolg des rechtsextremen „Front National“ schockiert die Menschen in Mülheims französischer Partnerstadt. Eliane Lebret aus Tours und Geschäftsführerin der Französisch-Deutschen Gesellschaft analysiert für die Funke Mediengruppe das Ergebnis der Europawahl.
Eliane Lebret (59) aus Mülheims Partnerstadt Tours macht zurzeit Urlaub im Ammerland und hat dort interessiert verfolgt, wie Wahlen in Deutschland organisiert werden. Was in ihrer Heimat bei der Europawahl passiert ist, hat die Geschäftsführerin der Französisch-Deutschen Gesellschaft selbstverständlich ebenfalls gespannt beobachtet.
Der Front National von Marine Le Pen hat erstmals bei einer Wahl in Frankreich die meisten Stimmen erhalten – was sagen Sie zu dem Triumph der Rechtsextremen?
Eliane Lebret: Ich bin natürlich schockiert. Obwohl die Umfragen dieses Ergebnis vorausgesehen haben, wollte ich nicht daran glauben. Marine Le Pen hat es mit den Jahren geschafft, das ursprünglich ,nazistische Image’ der Partei ihres Vaters Jean-Marie Le Pen abzuschaffen. In Frankreich sagt man: „Elle a dédiabolisé le parti.“ Sie hat den Teufel aus der Partei ausgetrieben. Der Front National ist fast akzeptabel geworden, vor allem anscheinend für die jungen Leute und die Arbeiterklasse, die am meisten für sie gestimmt haben.
25 Prozent Arbeitslosigkeit bei den jungen Menschen
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Lebret: In Frankreich gibt es seit Jahren 25 Prozent Arbeitslosigkeit bei den jungen Leuten unter 25. Sie haben bei den letzten Präsidentenwahlen 2012 an die PS, die sozialistische Partei, geglaubt – und auf eine Änderung gehofft. Die Wirtschaft ist seitdem aber noch schlechter geworden. Das französische Wachstum hängt vor allem vom inneren Markt und vom inneren Konsum ab. Ein Teil der Franzosen sieht das Ausland nicht als einen potenziellen Markt. Das französische Wort „mondialisation“ – also Globalisierung – ist von vornherein schon negativ belegt. Wie Sabine Thillaye, die einzige deutsche Kandidatin für die europäischen Wahlen in Frankreich, sagte: „Wir europäisieren die Niederlagen und nationalisieren die Erfolge.“ Viele haben Angst vor dem Ausland, das sie nicht genug oder überhaupt nicht kennen.
Ein Viertel der abgegebenen Stimmen gingen landesweit auf das Konto des Front National. Entspricht das auch dem Ergebnis in unserer Partnerstadt Tours?
Lebret: In Tours hat der Front National ein bisschen weniger eingefahren als im gesamten Land: 22, 3 Prozent statt 25 Prozent. Der FN ist aber trotzdem auch in Tours die stärkste Partei von allen.
Das Image von Frankreich wird sich wohl verschlechtern
Sie persönlich stehen ja für einen regen Austausch mit Menschen anderer Länder, der FN eher nicht. Glauben Sie, dass das Wahlergebnis dem Image Ihres Landes schadet?
Lebret: Ja, ich glaube leider, dass unser Image im Ausland sich dadurch verschlechtern wird. Aber im Grunde genommen glaube ich nicht, dass die tausenden Austausche zwischen französischen und europäischen Bürgern und Unternehmen von uns aus weniger werden. Ich hoffe nur, dass die ausländischen Partner uns nicht vernachlässigen werden und als Europagegner sehen. Im deutschen Fernsehen hat mich kürzlich ein Titel schockiert, als die Rede war von den extremen Parteien: Europahasser, hieß es dort.
Und? Sind Franzosen Europahasser?
Lebret: Französische Wähler sind sehr reaktiv. Sie haben mehr gegen ihre eigene Regierung als gegen Europa gewählt. Und wenn das nicht so wäre, würden wir klar gegen sie kämpfen: Ich habe genug Vertrauen in die Millionen Franzosen und Tausende Europäer, die in Frankreich wohnen, um sagen zu können: Wir werden diese Bewegung stoppen.