Mülheim. Zukunftsweisendes Fest am Europäischer Nachbarschaftstag: An der lange Kaffeetafel auf dem Kirchplatz am Lindenhof lernten sich alte und neue Anwohner kennen. Praktische Nachbarschaftshilfe wurde initiiert.

„Gute Nachbarschaft fällt nicht vom Himmel!“ und genau deshalb fand gestern ein ganz besonderes Fest auf dem Platz vor der Christuskirche statt. Anlässlich des Europäischen Nachbarschaftstages hatten das Saarner Familienforum und das Ev. Familienzentrum alle Nachbarn rund um den Lindenhof zu einem Kaffeetrinken an einer meterlangen Tafel eingeladen - um nachbarschaftliche Strukturen zu stärken und „alte und neue Anwohner näher zusammenzubringen“. Punkt vier Uhr kam die Sonne heraus und warf ein helles Licht auf die rund 40 bis 50 Gäste, die eifrig plauderten.

„Es ist heuzutage gar nicht mehr so selbstverständlich, dass man seine Nachbarn kennt, und hier in der Siedlung findet gerade ein Generationenwechsel statt“, berichtet Diakonin Ragnhild Geck. „Wir möchten den Menschen im Quartier das Kennenlernen erleichtern und möglichst auch praktische Nachbarschaftshilfe initiieren“, ergänzt Luise Scheib vom Familienforum.

"Man lebt ja sonst so digital"

An einer Pinwand, die auf dem Kirchplatz aufgestellt ist, hängen auch schon die ersten Zettel: „Helfe bei Gartenarbeit“ steht dort oder auch „Verschenke Drucker“ und „Backe Kuchen“. „Eine gute Idee. Wir Jüngeren könnten für ältere Leute mit einkaufen gehen, während wir sicher mal einen Babysitter gebrauchen könnten“, sagt Marie Schönfeld, Mutter zweier Kinder, die vor zwei Jahren in die Waldbleeke gezogen ist und noch andere Familien mit Knirpsen sucht („damit die Kinder einfach mal draußen vor der Tür spielen können“).

Ihre Nachbarin Katrin Langensiepen wohnt schon lange hier. „Jetzt ziehen wieder junge Familien her, sieht man wieder Kreidebilder auf der Straße“, freut sie sich. Auch Günter Kloos, der seit 34 Jahren am Lindenhof lebt, mag es, dass wieder mehr Leben ins Viertel eingekehrt ist - und lobt das gelungene Kaffeetrinken. „Man lebt ja sonst so digital, dass man sich kaum begegnet.“

Unterschriftenaktion gegen Kirchenpläne

„Gute Nachbarschaft wird immer wichtiger, die Familie ist bei vielen Menschen heute weit weg. Man darf deshalb nicht verinseln“, findet Katrin Langensiepen. Sie hat auch an den (bisher) drei „Nachbarschaftswerkstätten“ des Saarner Familienforums teilgenommen, hat mit anderen zusammengetragen, was die Leute am Lindenhof bewegt und was sie brauchen könnten. „Läden gibt es hier oben nicht, für Ältere ist das schlecht. Früher hätten die Autobesitzer diejenigen ohne Auto mit runter ins Dorf genommen. Warum soll das heute nicht gehen?“, gibt Ragnhild Geck ein Beispiel.

Es gibt aber auch etwas anderes, das die Anwohner umtreibt. Die ev. Kirchengemeinde Broich-Saarn will/muss Kirche, Gemeindehaus und andere Gebäude am Lindenhof verkaufen. „Dann bleibt hier kein Raum mehr, in dem Veranstaltungen der Gemeinde oder der Anwohner stattfinden könnten“, sagen sie. Einige haben eine Unterschriftenaktion gestartet, um für einen Raum zu kämpfen - und viele Nachbarn haben schon unterzeichnet.