Mülheim. Die wirtschaftliche Attraktivität einer Stadt misst sich auch an der Zahl ihrer Einpendler. Nach einer aktuellen Erhebung verzeichnet Mülheim da erstmals einen positiven Saldo. 41293 fahren morgens in die Stadt, 38118 fahren raus. Das Ziel müsste nun sein, die Tages- zu echten Mülheimern zu machen.

Beinamen müssen nicht immer stimmen, haben aber einen Vorteil. Sie vereinfachen so schön griffig. Mülheim hat viele Beinamen. Wohnstadt, Schlafstadt, alternde Stadt, Stadt der Erholung, Stadt der Bürgerinitiativen, aber auch arme, also finanziell arme Stadt. Stadt der Wirtschaft taucht in den Aufzählungen nie auf. Dabei hätte der Zusatz einen Reiz: Er stimmt.

In der Pendlerrechnung des Landesdamtes für Statistik (IT.NRW) hatte Mülheim immer eine starke Stellung. Über Jahre hinweg hielten die Statistiker fest, dass etwa so viele sozialversicherungspflichtige Beschäftigte morgens die Stadt verließen wie andere sie zur Arbeit aufsuchten. Aktuell (Stand 2012) hat die Zahl der Einpendler aber so stark zugenommen, dass erstmals mehr Arbeitende reinfahren als rausfahren (s. Grafik). Mehr noch: In dem Verhältnis, das sich aus diesen beiden Zahlen ergibt, hat Mülheim nun mit 52 Prozent die zweitbeste Pendlerquote weit und breit, getoppt nur noch von Düsseldorf (57,8 Prozent). Warum?

Bis zu 300 neue Angestellte bei Aldi

Jürgen Schnitzmeier weiß zu sagen, warum nicht. „Es gab keine großen Neuansiedlungen, aber einen stetigen Zufluss an Arbeitsplätzen“, sagt der oberste Wirtschaftsförderer. Mit Ausnahme des Handels. Ansonsten aber notiert Schnitzmeier auf der Haben-Seite viele kleine Zuwächse, bis hin zu 300 neuen Leuten, die Aldi an die Ruhr holte oder den rund 100, die neuerdings für die Anderson AG am Ort arbeiten.

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Und was folgt daraus? Die Aufgabenstellung liegt auf der Hand: Wo Menschen offenbar gerne arbeiten, warum sollten sie dort nicht auch wohnen? In der Verwaltungssprache schreit diese Frage nach „Handlungskonzepten“. In der Tat gibt es ein solches, sogar seit zwei Jahren und sogar für die Innenstadt, wo selbst Berufsoptimisten an eine Renaissance des Handelsschwerpunkts nicht mehr glauben. In Kürze wird das Konzept auch wieder mal hervorgeholt. Zur Beratung.

So lange es aber an der konzertierten Tat mangelt, aus Düsseldorfern oder Essenern gezielt Mülheimer zu machen, freuen sich über die Pendlerstärke: die Mülheimer und die Verkehrsgesellschaften im Umkreis. Firmentickets sind gefragt. MVG-Sprecher Nils Hoffmann sagt, jedes vierte verkaufte Abo ist schon ein Firmenticket. 4,2 Millionen Euro nimmt die MVG dadurch ein, auch das ein Spitzenwert. Denn Firmentickets sind eine Alternative zum Stau, sagt Hoffmann. Er muss es wissen.

Er pendelt.