Mülheim.

Vier Männer, mitten in den Dreißigern. Die Namen, die ihre Eltern ihnen gaben, lauten: Oliver Heinzler, Hossam Ali, Emanuel Scheuer und Jean Paul Philipp. Sie selber nennen sich Ollysee, Zyankali, Emu und Scheng Pell oder auch: Pottpoeten. Seit 1997 bilden sie eine Hip-Hop-Formation, und demnächst, hoffentlich noch 2014, soll ihr neues Album erscheinen, an dem sie seit fast drei Jahren im bandeigenen Kellerstudio an der Sandstraße werkeln.

Es mangelt an Zeit, sagen die Pottpoeten, da sie alle auch Hauptberufe haben. Kaufmann, Werbegraphiker, Gärtner, Hossam Ali arbeitet als Sozialpädagoge in einer Berufsbildungswerkstatt in Oberhausen. Als sozial engagiert begreifen sich alle aus dem Quartett, daher finden in ihren Tonstudio häufig Rap-Workshops mit Jugendlichen statt, bei denen die Pottpoeten beispielsweise mit Schulen, Stadtteilprojekten oder auch der IHK zusammenarbeiten.

Zehn Minuten "Fame"

Derzeit bleiben nur die Donnerstagabende und die Wochenenden, um ihre eigenen Texte zu schreiben (bei denen sie in der Regel bei der deutschen Sprache bleiben), um Beats zu basteln, Raps aufzunehmen und aus all dem Stücke zu produzieren, die sie unters Volk bringen möchten. Der Titel für die neue Platte steht fest: „E.P.O.S.“ Plattenfirma und Vertrieb suchen sie noch. Für das Coverfoto stieg Emanuel bei schönstem Wetter auf eine Halde, nicht ohne die Tour auf youtube in der losen Folge „Pottpoeten TV“ launig zu dokumentieren.

Seit 1996 sind die Pottpoeten unter diesem Namen in der aktuellen Besetzung zusammen. Länger als die meisten anderen deutschen Hip-Hop-Bands, wie sie selber stolz hervorheben. Durch Höhen und Tiefen hat es sie seither gemeinsam gezogen: „Wir hatten schon zehn Minuten ,Fame’“, sagt Hossam Ali und meint die Zeit um 2001, als ihre Single „Egal, wie weit“ im Musikfernsehen rotierte und sie vor über tausend Zuschauern im AZ auftraten. „Wir standen aber auch schon kurz vorm Zerfall, zerstritten und im Stress mit unserer Plattenfirma.“

Tonstudio als "privates Jugendzentrum"

Momentan befinden sie sich irgendwo zwischen diesen Extremen, sind älter geworden, haben aber den Traum vom musikalischen Durchbruch noch nicht abgehakt: „Wir alle lieben es, auf einer Bühne zu stehen und gut gefunden zu werden“, meint Emanuel. „Und wir hoffen schon noch darauf, dass unsere Musik größeres Gehör finden. Weil es Balsam fürs Ego ist.“

So oder so soll das Studio ihre persönliche Anlaufstelle bleiben: „Es ist“, so Jean Paul, „unser privates Jugendzentrum. Wir kommen hier hin und sind wieder 19...“

Verwurzelt in Mülheim

Die Pottpoeten stammen allesamt aus Mülheim, sie wohnen hier, und so soll es auch bleiben. „Ich mag die Stadt“, meint Jean Paul Philipp, „es ist zwar sehr ruhig, aber man sitzt mittendrin und kann alles schnell erreichen.“ Emanuel Scheuer fügt hinzu – und spricht damit offenkundig allen vier Männern tief aus der Seele: „Wenn ich nach Berlin ziehen würde, wäre ich ja nicht mehr donnerstags mit der Band zusammen.“ Sie sind enge Freunde, „wie eine Familie“.

Außerhalb ihres kuscheligen Kellers und verschworenen Quartetts haben sie gleichwohl an der Heimatstadt manches zu bemängeln. Was läuft schief in Mülheim? „Ruhrbania“, sagt einer ohne Zögern, und die anderen drei nicken. Was vermissen sie? Das, was viele auch öffentlich immer wieder beklagen: „Die Innenstadt zerfällt“, meint Hossam Ali, „obwohl sie erst vor acht, neun Jahren auf Hochglanz poliert wurde.“ Es gebe keine Partys mehr, so wie früher, vor Camera-Obscura-Zeiten, im Wasserturm neben dem Ringlokschuppen, keine Kneipenmeile, kaum ein Café, wo man abends einkehren kann, und zu wenige Veranstaltungen für Jugendliche. „Voll die Ruhr kann nicht die einzige Lösung sein.“

Das Ruhr Reggae Summer Festival immerhin läuft gut, so sehen es auch die Pottpoeten. „Da würden wir gerne mal auftreten.“