Mülheim. Ein 37-jähriger Mülheimer soll seinen Schwager nach einem Streit erstochen haben - deshalb muss sich der Mann seit Dienstag wegen Totschlags vor dem Landgericht Duisburg verantworten. Wie bloß konnte es soweit kommen, an jenem Nachmittag des 28. Mai 2013? Diese und andere Fragen werden nun geklärt.

Mit einem rund 13 Zentimeter langen Küchenmesser aus Keramik soll ein 37-jähriger Mülheimer seinen Schwager nach einem Streit erstochen haben – und zwar am helllichten Tag und auf offener Straße mitten in einem Mülheimer Wohngebiet. Die Tat hatte die Anwohner des zwischen Eppinghofen und Heißen liegenden Rühlwegs damals schwer geschockt. Wie bloß konnte es soweit kommen an jenem Nachmittag des 28. Mai 2013? Diese und andere Fragen werden seit gestern vor dem Landgericht Duisburg geklärt.

Dienstag, 9 Uhr, der Totschlagsprozess im holzgetäfelten Schwurgerichtssaal beginnt: Der Angeklagte im weißen Hemd sitzt längst auf seinem Platz, hält den Kopf gebeugt. Nur selten schaut er in den kommenden Stunden auf; Selbstsicherheit sieht anders aus. Der 37-Jährige entscheidet sich zu schweigen, zumindest vorerst. Rat bekommt er von seinem Verteidiger, einem bundesweit bekannten Mann. Dr. Reinhard Birkenstock aus Köln hatte dereinst auch Jörg Kachelmann in dessen vielbeachtetem Vergewaltigungsprozess zur Seite gestanden.

Angeklagte möchte unerkannt bleiben

Einige wenige Fernsehkameras gibt’s auch am Dienstag; der Angeklagte aber möchte unerkannt bleiben, betont Birkenstock. Sein Fall beschäftigt eine ganze Familie; die Männer waren schließlich Schwäger. Und so sitzt im Zuschauerraum auch eine Frau (31), die einerseits mit dem Angeklagten verheiratet ist, die aber andererseits auch die Schwester der Frau des Getöteten ist. Eine üble Verquickung, derer sich die Schwestern auf gleiche Art und Weise zu entziehen versuchen: Beide verzichten auf eine Aussage.

Bruder sprang mit voller Wucht gegen parkendes Auto

Der Bruder des Getöteten hatte nach der Attacke einen Anruf erhalten und war zum Tatort geeilt. Ein Polizist sagte ihm, dass der Bruder tot ist. „Da habe ich nur noch geweint.“ Erst im Krankenhaus sei er wieder zu sich gekommen.

Daher erinnere er sich auch nicht an eine heftige Szene, von der sogar ein Video existiert: Da die Gefühle wohl extrem waren, war er mit voller Wucht kopfüber gegen ein parkendes Auto gesprungen.

Gesprächig hingegen zeigt sich der Bruder des 37-jährigen Opfers. Es ist nicht immer einfach, den Ausführungen des aus Marokko stammenden Mannes zu folgen. Auch, weil der Dolmetscher wenig klar spricht und sie offenbar mehrfach in Diskussionen auf Arabisch verfallen. Was rüberkommt, aber ist: Der Streit am Tattag war nicht der erste zwischen den Männern. Der Zeuge – ein 38-jähriger Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes aus Herne – berichtet von einem Imbiss in Mülheim, den die Schwäger gemeinsam betrieben haben sollen und von Drogengeschäften, wegen derer man sich entzweit habe. „Mein Bruder wollte nur etwas Legales machen; er hatte Angst um seine Kinder und die Familie.“ Deshalb sei man auch zur Polizei gegangen und habe den Geschäftspartner – den Angeklagten – angezeigt. „Ich weiß aber nicht, ob er davon wusste.“

Anwohner verfolgte Auseinandersetzung

Ein Anwohner (48) hatte die Auseinandersetzung vom Balkon seiner Wohnung im fünften Stock verfolgt. „Ich konnte aber nur schemenhaft etwas erkennen; ein Baum war im Weg.“ Der verbale Streit sei jedenfalls alsbald in eine Schubserei und Zerrerei übergegangen. Und am Ende sei einer der Männer weggerannt.

Der andere verblutete kurz darauf. Laut Anklage hatte er einen tiefen Stich im linken Brustbereich.