Mülheim. Nach einem Streit mit einem Schwarzfahrer hat ein Bahnangestellter im Zug Pfefferspray versprüht und zugeschlagen. Eine Zeuge filmte die Situation mit seinem Mobiltelefon. Jetzt ermittelt die Bundespolizei

Man sieht die untere Etage eines Regionalexpresses: Hustende Passagiere, die sich flüchtend Tücher und Kleidungsstücke vors Gesicht haltend, Stimmgewirr, Panik. Der Szene, die sich am Mittwoch der vergangenen Woche zugetragen hat, vorangegangen war ein Streit zwischen einem 29-jährigen Schwarzfahrer aus Mülheim und einem Kontrolleur der Deutschen Bahn. Letzterer behauptet, sich von dem Schwarzfahrer bedroht gefühlt zu haben, worauf er eine Ladung Pfefferspray in dem geschlossenen Zugabteil auf den Mülheimer abfeuerte. Der Mülheimer bestreitet, den Bahnangestellten provoziert zu haben. Beide Männer erstatteten Strafanzeige. Es steht Aussage gegen Aussage.

Fest steht: Das Ende der Situation hatte ein Zeuge mit seinem Mobiltelefon gefilmt und im Internet veröffentlicht. Das Video, das zurzeit rund 9500 mal angesehen wurde, zeigt die vor dem Pfefferspray flüchtenden Bahnreisenden und den Kontrolleur, der den 29-jährigen Mülheimer zunächst im Nacken hinter sich her zieht und ihm später zwei Mal mit der Faust ins Gesicht schlägt. Als ein Fahrgast deeskalierend einschreiten will, rechtfertigt der Kontrolleur sein Handeln mit den Worten, er sei provoziert worden. Daraufhin fragt der Geschlagene: „Und deshalb gibst du mir zweimal eine?“

Der Kontrolleur ist zu weit gegangen

Fest steht: Der Kontrolleur ist eindeutig zu weit gegangen. „Ein solches Handeln ist natürlich nicht durch das Hausrecht gedeckt“, sagt Volker Stall. Er ist Sprecher der Bundespolizei, die nun in dem Fall ermittelt. Schläge und Pfefferspray erfüllten den Straftatbestand der Körperverletzung. „Was noch geklärt werden muss, ist, inwiefern der Mann in Notwehr gehandelt hat.“ Zu diesem Sachverhalt würden momentan Zeugen befragt und das könne noch etwas dauern. Sobald die Ermittlungen abgeschlossen sind, gehe der Fall an die Staatsanwaltschaft. Stall: „Dort wird dann entschieden, ob Anklage erhoben wird.“

Der Bahnangestellte ist zurzeit „freigestellt und nicht im Kundenkontakt eingesetzt“, wie ein Bahnsprecher mitteilt. Natürliche unterstütze das Unternehmen die Ermittlungen der Bundespolizei, erklärt er. „Pfefferspray gehört selbstverständlich nicht zur Ausrüstung unserer Mitarbeiter. Es kann natürlich sein, dass er es privat dabei hatte, etwa um sich auf dem Nachhauseweg zu schützen“, so der Sprecher. Eigentlich sei die Aufgabe der Kontrolleure, in solchen Fällen deeskalierend einzugreifen. „Dafür durchläuft jeder einzelne ein spezielles Training.“

Allerdings habe es allein im vergangenen Jahr rund 800 Übergriffe gegen Bahnangestellte bei der Kartenkontrolle gegeben. „Unsere Mitarbeiter müssen schon einiges ertragen“, sagt der Bahnsprecher, der hofft, „dass das ein einmaliger Vorfall war“. Wie viele Leute durch das Pfefferspray zu schaden gekommen sind, weiß er indes noch nicht. „Momentan wissen wir von einem konkreten Fall.“