Mülheim..
Dr. Thomas Heidel ist in den Vorstandsetagen deutscher Aktiengesellschaften, wo er auftaucht, selten willkommen. Der 57-jährige Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht aus Bonn sucht in jenen Unternehmen, in denen er eingesetzt wird, aber auch keine neuen Freunde. Heidel ist ein Aufräumer. Er kommt im Auftrag besorgter Aktionäre als „Besonderer Vertreter“ in Unternehmen, nimmt deren Vorstand die Macht, um Verantwortliche für vermutete Unregelmäßigkeiten zur Rechenschaft zu ziehen. Aktuell will Heidel die Aktionärsinteressen bei der Mülheimer Easy Software AG durchboxen. Die Hauptversammlung stärkte ihm dafür nun noch einmal den Rücken.
Untreue-Verdacht haftet bei der Easy Software AG an vielen Ecken und Enden. Eine Sonderprüfung hatte unlängst, bei einer gar noch lückenhaften Untersuchung, einen Schaden von weit mehr als 2 Mio. Euro ausgemacht, der dem Unternehmen durch Geschäfte mit ihm nahe stehenden Personen entstanden sein soll. Ins Visier dabei geraten ist insbesondere Manfred A. Wagner, Eigentümer eines facettenreichen Firmenimperiums, größter Easy-Aktionär und bis gestern auch Aufsichtsratsvorsitzender bei der Mülheimer Software-Schmiede.
Seit gut einem Jahr greift bei Easy die schärfste Waffe des Aktienrechtes: der Einsatz eines Besonderen Vertreters. Heidel gab am Mittwoch bei der Hauptversammlung einen Zwischenbericht seines Wirkens. Dabei griff er mit scharfen Attacken sowohl den einzig verbliebenen Vorstand Andreas Nowottka als auch den zurückgetretenen Aufsichtsratsvorsitzenden Wagner an.
Aktionäre geben volle Rückendeckung
Dem Vorstand wirft Heidel vor, die Prüfung etwaiger Schadenersatzansprüche gegen Wagner und Vertraute zu torpedieren. „Bis heute“, so berichtete Heidel den Aktionären, „kämpfe ich mit Herrn Nowottka um die Erteilung der zugesagten, für meine Arbeit unbedingt erforderlichen Informationen.“ Der Vorstand behindere fortwährend seine Arbeit. Gar von einem Hausverweis sprach Heidel, auch gerichtlich habe man seine Befugnisse eingrenzen wollen.
Erleichtert ist Heidel, dass die Aktionäre ihm am Mittwoch nochmals volle Rückendeckung gegeben haben. Nahezu 100 % erhielt ein Beschlussantrag der Deutschen Balaton AG (5 %-Eigentümerin), der den Auftrag von Heidel noch einmal konkretisierte und die Stellung des Besonderen Vertreters gegenüber dem Vorstand stärken dürfte.
Heidel sieht in seinem Untersuchungsfeld (Geschäfte mit der AG mit ihr nahe stehenden Personen) „deutliche Ansatzpunkte für ein Fehlverhalten“, wie er der WAZ noch während der laufenden Hauptversammlung sagte. Er sprach von „harten Pflichtverletzungen“ und davon, dass „das Unternehmen von Wagner offenbar nach Gutsherrenart geführt worden“ sei. Zwei Schadenersatzklagen gegen Wagner hat Heidel nach eigener Auskunft bereits eingereicht – 1,533 Mio. Euro fordert der Besondere Vertreter. Wie berichtet, weist Wagner alle Vorwürfe weit von sich. Nicht einen Cent habe er aus der AG genommen, betonte er noch am Tag vor der Hauptversammlung im WAZ-Gespräch.
Die alten Probleme sind nicht gelöst
Am Mittwoch verweigerte die Hauptversammlung Wagner nicht nur die Entlastung als Aufsichtsratsvorsitzenden (98,23 % Gegenstimmen), sondern lehnte auch den kühnen Vorschlag der Easy-Verwaltung ab, Wagner zum Ehrenvorsitzenden des Gremiums zu benennen (64,55 % Gegenstimmen). Wagner ist abgetreten. Eine neue Ära bei Easy Software beginnt. Die alten Probleme aber sind nicht gelöst. Heidel rechnet noch mit viel Arbeit: „Der Teufel steckt im Detail.“
Easy-Vorstand Andreas Nowottka wies gegenüber der WAZ die Vorwürfe des Besonderen Vertreters Thomas Heidel zurück: „Der Vorstand ist nach wie vor für Aufklärung.“ Eine Blockade habe nie stattgefunden, nur habe es Unklarheiten zum Umfang des Mandats von Heidel gegeben, die rechtlich zu klären gewesen seien. Nowottka sieht diese Streitigkeiten nun, da die Hauptversammlung den Auftrag für Heidel in großem Umfang konkretisiert hat, als erledigt an.
Unternehmen ist an Aufklärung interessiert
Der Vorstand kündigte an, Heidel zeitnah ein eigenes Rechtsgutachten zur Sonderprüfung vorzulegen. Man werde ihn „nach besten Möglichkeiten unterstützen“. Das Unternehmen sei an der Aufklärung interessiert, um sich schnellstmöglich wieder ausschließlich dem operativen Geschäft widmen zu können und um Schaden von der Firma abzuwenden.
Nowottka ließ es nicht aus, dem ausgeschiedenen und unter Verdacht der Untreue stehenden Aufsichtsratsvorsitzenden Manfred A. Wagner für sein mehr als zehnjähriges Wirken zu danken. Man freue sich nun auf eine konstruktive Zusammenarbeit mit Wagner-Nachfolger Oliver Krautscheid. Easy, betonte Nowottka, sei mit über 17 % Marktanteil weiter Deutschlands führender ECM-Anbieter. Und man wachse – auch auf dem türkischen Markt.