Mülheim.

„Der Reiseroman meines Lebens“, so könnte es im Fall von Hildegard Stolz lauten. Wo soll sie beginnen mit ihrer Erzählung, womit schließen? „Ich habe so viele Reisen gemacht und so furchtbar viel erlebt“, berichtet die 85-Jährige, „dass ich mich gar nicht für eine Geschichte entscheiden kann.“

Ab 1970, dem Jahr ihrer Heirat, unternahm sie gemeinsam mit ihrem Ehemann zahlreiche Fernreisen. „Immer im Mai oder Oktober“, niemals im Hochsommer, und das über fast dreieinhalb Jahrzehnte. „Ich bin immer gerne geflogen und konnte unterwegs auch gut schlafen“, sagt Hildegard Stolz, die übrigens in der Brunshofstraße und damit denkbar dicht am Mülheimer Airport wohnt.

Dass ihre Schwester mehr als 40 Jahre lang in Durban/Südafrika lebte, hat ihren Bewegungsradius noch erweitert. Den Aufruf in der WAZ, die „Reise ihres Lebens“ zu schildern, beantwortete Hildegard Stolz zunächst mit einer handgeschriebenen Liste, die von Tunesien („ca. 15 Mal“) bis zu den Bahamas, von Ägypten („9 Mal“) bis nach Jamaika, von Südafrika bis zu den Malediven reichte.

Schildkrötenbabys gerettet und nachts Fledermäuse gesehen

All die europäischen Ziele, die sie besucht hat, sind dabei noch gar nicht berücksichtigt. Ebenso wenig die schicksalhafte Reise im Weltkriegsjahr 1943, die die gebürtige Holländerin mit deutscher Mutter von Den Haag zur Großmutter nach Essen verpflanzte, wo ihre Familie dann auch blieb.

Aber gefragt nach einer besonders eindrucksvollen Tour, entscheidet die Frau, die in ihrem Leben so viel unterwegs war, sich schließlich doch: „Großartig fand ich es auf den Seychellen, wo wir Mitte der achtziger Jahre waren.“

Eine Erinnerung, die Hildegard Stolz auch fotografisch festgehalten hat, zeigt sie reitend auf dem Panzer der Riesenlandschildkröte „Esmeralda“, die angeblich mehr als 200 Jahre auf dem graubraunen Buckel hat. „Bird Island“, die Heimatinsel des berühmten Reptils, ist besiedelt von Hunderttausenden Seeschwalben: „Wir mussten die Schildkrötenbabys vor ihnen in Sicherheit bringen“, berichtet Hildegard Stolz, „haben sie eingesammelt und in Badewannen geworfen.“ Abends nach Sonnenuntergang, beim Essen am Pool, seien ganze Schwärme von Fledermäusen über das Meer gezogen.

Leidenschaftliche Schnorchlerin

Rund 115 Inseln, gestreut in den Indischen Ozean, gehören zur Republik Seychellen. „Von der Hauptinsel Mahé aus, wo unser Hotel lag, haben wir viele Ausflüge gemacht, per Flugzeug oder Boot. Auf La Digue wurden wir am Hafen mit einem Ochsenkarren abgeholt.“ Auch die Märkte der Seychellen haben auf Hildegard Stolz einen tiefen Eindruck hinterlassen, weil es dort nicht nur lebhaftes Menschentreiben, sondern auch etliche Pelikane gab. Eine Reise, die sie lebenslang nicht mehr los ließ. Noch bewegender als die Bahamas, von denen sie ebenfalls stundenlang erzählen könnte, oder Kenia...

Seit ihr Mann vor zehn Jahren verstarb, hat Hildegard Stolz solche Fernflüge nicht mehr unternommen, war aber noch in Ägypten: „Am Roten Meer, in Sharm El-Sheikh, finde ich alles, was mein Herz begehrt, weil ich leidenschaftlich gerne schnorchle.“ Doch auch das ist inzwischen Vergangenheit. Was der vitalen 85-Jährigen, die im Alltag noch Auto fährt, für größere Unternehmungen abhanden kam, war eine Begleitung, „jemand, mit dem ich mich austauschen kann“. Darum wird ihre nächste Reise in vertraute Umgebung im äußersten Süden Deutschlands führen: nach Grainau am Fuße der Zugspitze. „Meine zweite Heimat“, sagt sie. Am 20. August geht es wieder los.