Eine junge Dame in Ranger-Uniform empfängt uns am Ufer des Naknek Lake, als wir aus dem Wasserflugzeug klettern. Sie gehört zum Aufsichtspersonal des Katmai-Nationalparks im Südwesten Alaskas und macht uns klar: „Sie sind jetzt im Bärenland!“

Alaska-Braunbären sind absolute Herrscher in diesem Schutzgebiet 500 km südwestlich von Anchorage. Die größten Raubtiere der Erde lassen sich weder durch knatternde Wasserflugzeuge ihre Souveränität nehmen noch durch Zelte, die gelegentlich reihenweise zu Bruch gehen. Wir sind also Gäste im Land der pelzigen Riesen.

Wegrennen ist zwecklos

Über die Regeln werden wir eindrücklich belehrt: Nichts Riech- oder Essbares im Zelt lassen, einschließlich Seife oder Zahncreme. Alles muss in die stelzenbeinige Futterhütte, mit immer wieder niedergelegter Leiter! Lärm machen soll man: „Lassen Sie die Bären immer wissen, wo Sie sind.“ Und sollte es doch zu Konflikten kommen?

Wegrennen ist zwecklos; die tapsig wirkenden Gesellen holen jeden 100-Meter-Weltrekordläufer ein! Wegschwimmen? Ebenfalls sinnlos! Sie kraulen auch schneller. Am besten redet man ihnen gut zu, ruhig, mit tiefer Stimme, und zieht sich dabei langsam zurück. Und wenn auch das nichts nutzt? Dann heißt Totstellen die Devise.

Prickelnde Spannung lässt die erste Nacht beinahe schlaflos werden. Gerade erwacht, höre ich vom Seeufer her einen Schrei, angstvoll oder freudig erregt? „Ein Bär, ein Bär!“ Ich raffe die Kamera, stürze aus dem Zelt, hetze durch den Wald. Keine zwanzig Meter von unserer Miniaturbehausung entfernt, tappt der Bär am Wasser entlang, äugt zu mir herüber, hält inne, steigt bedächtig in den See, schwimmt eine Runde. Da erst wird mir bewusst, dass meine erste Fotojagd auf Alaskabären gerade in Socken stattfindet...

Brenzlig wurde es eines Abends an den gischtenden Wasserfällen, Brooks Falls, als uns eine Bärenmutter mit zwei Jungen den Rückweg abschneidet. Allerliebst tapsen die pudelgroßen Wollknäuel auf uns zu, eines unbekümmert auf den Hintertätzchen balancierend. Keine zehn Meter trennen uns von ihnen. Doch bei allem Entzücken über die drolligen Teddys ist höch-ste Alarmstufe angesagt.

Nichts ist fürchterlicher als eine besorgte Bärenmutter. Argwöhnisch herüberäugend, wiegt sie den Kopf, will wohl ungestört zum Wasser, erwägt jedoch offensichtlich die eventuelle Gefahr für die Klei-nen. Wir setzen Schritt für Schritt rückwärts, so gut es im verfilzten Unterholz und dichten Gras geht.

Aufregende Minuten vergehen, Gedanken, was wir tun könnten, jagen sich. Trotzdem - Nerven behalten und filmen und fotografieren, wenn auch etwas zittrig. Endlich entschließt die Bärin sich zum Rückzug in das Dunkel des Waldes.

Nach dieser ersten Alaska-Reise war ich in meinem Lieblingsland noch weitere sieben Mal – und hoffentlich bald wieder.