Mülheim..

„Wir sind der Meinung, dass was passieren muss“, hat der Geschäftsführer der Stadtentwässerungsgesellschaft SEM, Hans-Gerd Bachmann, jüngst kurz und knapp auf WAZ-Anfrage zum Sanierungsstau im Mülheimer Kanalnetz reagiert. Es gebe die „Notwendigkeit, reichlich Geld in die Hand zu nehmen“. Zu dezidierter Auskunft war Bachmann nicht bereit. Zumindest ist mittlerweile vom Umweltamt bestätigt, dass die SEM als Auftragnehmerin der Stadt einen umfangreichen Katalog vorgelegt hat, der Kanalbau-Investitionen über das aktuelle Maß für nötig erachtet.

Anerkannter Bedarf: 220 Mio. Euro

Dabei nimmt die Stadt laut Umweltamtsleiter Dr. Jürgen Zentgraf seit 2006 ohnehin deutlich mehr Geld in die Hand als zuvor, um Kanäle und Co. auf Vordermann zu bringen. Allerdings ist im Abwasserbeseitigungskonzept für den Zeitraum 2011 bis 2023 ein Investitionsvolumen von annähernd 220 Mio. Euro vorgesehen. Investiert werden jährlich aktuell 15 bis 16 Mio. Euro – 18 Mio. wären laut Zentgraf nötig. „Wir schieben den Sanierungsstau immer noch ein bisschen vor uns her“, gesteht Zentgraf ein. Nicht aber, ohne mit Blick auf die aktuelle Gebührendebatte darauf hinzuweisen: „Stecken wir heute 5 Mio. Euro mehr ins Netz, macht dies eine Gebührenerhöhung von zwei, drei Prozent aus – und das gilt dann im Schnitt für eine Abschreibungsdauer von 50 Jahren.“

Das Umweltamt will für die anstehenden politischen Beratungen zur Fortschreibung des Abwasserbeseitigungskonzeptes im Frühjahr 2013 den Forderungskatalog der SEM genau prüfen. Laut Zentgraf hat die SEM die Kanäle wohl noch mal einzeln über das Maß hinaus bewertet, das die Bauüberwachung vorschreibe. Aus der Politik ist Skepsis zu vernehmen. Klar sei doch auch, dass die SEM ihr Auftragsvolumen zu mehren suche, ist zu hören.

Kanalnetz im "durchschnittlich gutem Zustand"

Jedenfalls sieht das Umweltamt im Mülheimer Kanalnetz nichts Besorgniserregendes. Die Infrastruktur, so die zuständige Sachbearbeiterin Susanne Schürmann, sei „in durchschnittlich gutem Zustand“. Das Kanalnetz erfülle seinen Zweck, so Zentgraf. Es sei stets ein Kompromiss zu finden zwischen dem, was wirtschaftlich möglich sei, und dem, was technisch und rechtlich erforderlich sei. „Es gibt sicher keine Kommune, in der das Kanalnetz zu 100 % den technischen Anforderungen entspricht“, sagt der Amtsleiter. Die großen Baustellen in Mülheim seien im Wesentlichen – mit Ausnahme der Rumbach-Sanierung – aber abgewickelt. Wie berichtet, verzögert sich diese Baumaßnahme. Die Stadt hat beim Verwaltungsgericht Klage gegen den negativen Förderbescheid eingelegt.

Hydraulische Probleme im Kanalnetz gibt es laut Umweltamt gleichwohl, eine umfassende Vorsorge für Starkregenereignisse könne es aber nicht geben, sagt Umweltamtsleiter Dr. Jürgen Zentgraf. Ein solcher „Jahrhundertregen“ hatte Ende Juni/Anfang Juli 2009 zahlreiche Keller im Stadtgebiet volllaufen lassen, auch Straßen standen unter Wasser. Eine Niederschlagsmenge wie damals, als an einem Tag etwa 51 Millimeter Regen innerhalb von nur zweieinhalb Stunden niederprasselten, kann laut Zentgraf kein herkömmlich dimensioniertes Kanalsystem auffangen.

Hydraulische Probleme im Normalbetrieb nehme man ernst. „Inzwischen“, so Sachbearbeiterin Susanne Schürmann, „laufen alle Störungsmeldungen im Umweltamt zusammen. Wenn wir eine Häufung erkennen, kann eine Baumaßnahme auch mal vorgezogen werden.“ Das sei zuletzt am Tannhauser und am Lohen­grinweg in Dümpten der Fall gewesen. Das Mülheimer Kanalnetz ist ca. 547 Kilometer lang, zählt 14.800 Schächte und etliche Sonderbauwerke. Der älteste Kanal an der Kaiserstraße ist 127 Jahre alt.