Mülheim.

„Seid gegrüßt“, schallt dem Besucher schon beim Eintritt in die Broicher Schloß Weihnacht entgegen. Menschen mit bodenlangen Umhängen und Kapuzen gewähren Einlass in das eher Früh- als Spätmittelalter. „So genau nehmen wir es bei solchen Veranstaltungen nicht“, lacht Diffusians, der Drachenflüsterer, der eigens aus Oberhausen angereist ist, um mit seiner langen Gesichts-Narbe, dem schuppig-bunten Ledermantel und einem gruseligen, fehlfarbenen Auge möglicherweise Kinder zu erschrecken.

Tanzweib in dicken Kleidern

Amrika, das Tanzweib, gibt zu, dass sie im Sommer etwas leichter gewandet sei. Jetzt hat sie sich, angemessen für die Jahreszeit, in dicke Wollkleider gehüllt – die Devise ist, vergnügt mit Freunden im Freien zu verweilen. Das gelingt ganz angenehm an der „Taberna Celtica“ bei Wirtin Jasmin Wefelmeier, die mit drei Lagen Wolle, Filz und Ziegenlederwams, das Fell natürlich nach innen, der klirrenden Kälte trotzt. Sie bietet schon im siebten Jahr beim vorweihnachtlichen Markt Glühbier, hausgemachten Glühwein und für die Autofahrer Kutscherpunsch an. Der Schotte mit Rock und ohne Strumpfhose (Brrrr!), Seamus Mc Farlane alias Andreas Müller, macht sich nützlich und holt heiße Getränk für die Torwachen.

Gaukler und Jonglage

Derweil unterhält Jeremias der Gaukler die Bürger – und ganz besonders die kleinen – von „Spülstein“ mit lustigen Geschichten und Jonglage. Alle halbe Stunde wird innerhalb der Ringmauer das mittelalterliche Krippenspiel für jedermann verständlich in lateinischer und mittelhochdeutscher Sprache aufgeführt.

„Engel“ Annemarie Opterweidt verkündet die Weihnachtsbotschaft und spielt, „mit viel Spaß und für eine Aufwandsentschädigung“ schon seit zehn Jahren beim Krefelder Krippenspiel-Ensemble. Märchenerzählerin Fabulix versammelt kleine, und zu späterer Stunde auch große Gäste im Zelt um ihr Feuer, um von Prinzen, Drachen und Feen zu erzählen, mittelalterliche Musiker singen von vergangenen Epochen und unterhalten die Besucher während ihrer Zeitreise.

In Filz und Wolle gehüllt

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Kinder knabbern am Stockbrot und üben mit ihren Vätern Bogenschießen an der Burgmauer, ein älteres Ehepaar hat vom Markt gelesen und genießt den idyllischen Schloß-Nachmittag. Cornelia Strufe ist mit ihrem sechsjährigen Sohn Vincent gekommen. „Seit vier Jahren bin ich „Reenacterin’“ (s. Kasten), sagt die junge Frau, die sich in Schichten von bodenlangem Filz und Wolle gehüllt hat. Vincent flitzt um den Baum, sein Holzschwert im Gürtel. „Er hat super viel Spaß an unserem Hobby, möchte aber gerade eher Pirat sein, aber die gab es im Mittelalter ja auch schon, zum Beispiel Störtebeker“, sagt die Mutter.

Die Besucher laben sich an Fettgebackenem und Flammkuchen und sehen mittelalterlichen Handwerkern bei ihrer Kunst zu. Die Kunsthistorikerin und Schneiderin Heyke Elke Möller wartet in elegantem Gewand in ihrem Atelier-Zelt auf Kundschaft. Sie bietet bestickte Kleider und Kappen an, hat ihr Hobby zum Beruf gemacht.

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Mit der Dunkelheit steigt die Stimmung, an jeder Ecke stehen Feuerkörbe und Fackeln im Schnee, im Tavernenzelt wird es gemütlich, weil es voller Menschen und somit auch warm ist. Noch zwei Adventswochenenden stehen im Zeichen des Mittelalters, das Schloß bietet die perfekte Kulisse dafür.