Mülheim. .

Der letzte Anblick ist der, der in Erinnerung bleibt. Daher nimmt Tristan Helmus-Fohrmann meistens ein Foto mit an seinen Arbeitsplatz, den Obduktionstisch. Dort verschließt er Wunden, rekonstruiert Gesichtszüge, desinfiziert, wäscht, balsamiert und frisiert Verstorbene, damit sie ein letztes Mal hübsch aussehen.

Schließlich sollen Angehörige ihre Omas, Opas, Männer oder Mütter so in Erinnerung behalten, wie sie zu Lebzeiten ausgesehen haben. Der Bestatter ist mit 20 Jahren Deutschlands jüngster Thanatopraktiker – und findet seinen Job alles andere als schrecklich.

Am Ende der Feldstraße, im Herzen Styrums, hat das Bestattungsunternehmen Fohrmann sein Stammhaus. Vor genau 100 Jahren zimmerte Tristans Ururgroßvater August hier die ersten Särge zusammen und kutschierte verstorbene Nachbarn zum Friedhof.

Kleinigkeiten sind wichtig

Heute, fünf Generationen später, führen Stefan und Mirjam Helmus-Fohrmann das Familienunternehmen. Für Sohn Tristan stand früh fest, dass er in den Bestatter-Betrieb einsteigen wird. Berührungsängste mit Toten kennt er also nicht. Im Gegenteil: Er schaut ihnen ins Gesicht.

Und zwar meistens dann, wenn der Tote so aussieht, dass man ihn nicht aufbahren kann, etwa nach schwerer Krankheit, einem Unfall oder Gewalteinwirkung. „Zunächst versorge ich die Wunden.“ Er desinfiziert den Leichnam, rekonstruiert das Gesicht des Verstorbenen und richtet ihn so her, wie man ihn zu Lebzeiten kannte. „Oft sind es die Kleinigkeiten, die wichtig sind.“ Hat Opa seinen Scheitel immer rechts und lieber Jogger als Krawatte getragen, sollte er es auch im Tod. „Es muss so reell wie möglich sein.“

Anderthalb Jahre Fortbildung

Anderthalb Jahre hat der 20-Jährige seine Fortbildung zum Thanatopraktiker gemacht und sich auf die Herrichtung und Konservierung Toter spezialisiert. Die Theorie absolvierte er in Düsseldorf, die Praxis in Großbritannien. „Dort ist die Trauerkultur eine ganz andere“, weiß er.

Auch in den USA oder in Frankreich bahren Angehörige ihre Verstorbenen auf Totenmessen im offenen Sarg auf. In Deutschland bleibt der Deckel meist zu. „Hier gibt es auch nicht viele Örtlichkeiten für Aufbahrungen“, erklärt Tristan. Die meisten Räume auf dem Friedhof sind von oben bis unten gefliest – keine angenehme Atmosphäre für Trauernde.

„Daher bieten wir wohnlich eingerichtete Räume, in denen sich Angehörige 24 Stunden lang von ihren Lieben verabschieden können.“ Trauernden etwas vom Schmerz nehmen – das ist es, was Tristan wichtig findet. Ihm gefalle der Umgang mit den Lebenden, einfühlsam mit den Angehörigen umzugehen und zu versuchen, „ihnen Kraft zu geben“. Aber auch der pietätvolle Umgang mit den Toten liege ihm am Herzen. Schließlich stellt er mit ihrem Aussehen auch ihre Würde wieder her.

Zu den Aufgaben eines Thanatopraktikers zählen neben der ästhetischen Wiederherstellung auch die Verzögerung der Verwesung des Leichnams durch Einbalsamierung. Bundesweit gibt es ca. 150-200 Thanatopraktiker.

Im kommenden Jahr wird Tristan einen weiteren Rekord aufstellen: als Deutschlands jüngster Bestattungsmeister. Zurzeit entsteht ein Kolumbarium am Styrumer Friedhof, das im Frühjahr eröffnet und dann von Fohrmann bewirtschaftet wird. Info: 99 28 60, www.fohrmann.de