Mülheim. .

Hörnerklang erschallt durch die Straßen der Stadt, Glockengeläute und Kanonendonner verkünden es: Mülheim hat sein erstes Schützenfest. So steht es in der 175 Jahre alten Festschrift des ältesten eingetragenen Vereins der Stadt: dem Mülheimer Schützenverein von 1837 (MSV). Im September feierten sie das große Jubiläum mit einem Krönungsball. Heute legen die Schützen allerdings mehr Wert auf Sport als auf Tradition.

Justizdirektor Berghaus, Direktor des Fürstlichen Gerichtes der Herrschaft Broich, war es, der Mülheims ersten Verein gründete. Heute heißt sein Nachfolger Helmut Ehrkamp, seit 2001 erster Vorsitzender des Vereins. Gerne liest er aus der Festschrift vor, die im Oktober 1837 das erste Schützenfest ankündigte.

Der Vogel ist gefallen

Man stellt sich ein aufblühendes Städtchen vor, 29 Jahre jung und knapp 20.000 Einwohner stark, als sich die Schützenbrüder im Festzelt des Gastwirtes Korthäuer im Stadtteil Eppinghofen trafen. Vier Tage lang feierten sie ein rauschendes Fest – bis der Vogel fiel. „Alles ist in Erwartung. Der Vogel wankt, hier und da reißt das tödtende Blei ganze Stücke los“, beschreibt die Festschrift. „Da knallt’s, ein lautes Vivat dringt durch die Lüfte, die Trommeln wirbeln, die Hörner erschallen, die ganze Musik rauscht in gewaltigen Klängen. Der Vogel ist gefallen.“

Schießen im ehemaligen Kino

Heute brauchen die Vögel nicht mehr ganz so lange, bis sie fallen – ihr Sturzflug wird aber nicht weniger feierlich zelebriert. Doch: „Heute konzentrieren wir uns im Wesentlichen auf das Sportschießen“, erklärt Helmut Ehrkamp. Und das mit Erfolg. Bei den Deutschen Meisterschaften 2012 wurden die Mülheimer Vizemeister.

Geschossen wird mit Großkaliber, „in allen gängigen Disziplinen des Deutschen Schützenbundes.“ In ihrer Halle an der Duisburger Straße trainieren die Schützen seit 1974 das Schießen – wo früher Filme flimmerten, kleben heute Zielscheiben. „Das Haus war früher ein Kino und unsere Schießhalle war der Kinosaal.“

Auch Frauen dürfen mitmachen

Acht Sportpistolen- und 15 Luftdruckstände stehen den Schützen – übrigens darunter auch Frauen – dort zur Verfügung. „Die Halle haben wir in Eigenleistung innerhalb vieler Jahre umgebaut.“ Die innere Ruhe und die Präzision seien es, die an dem Sport faszinieren. „Stellen Sie sich vor, Sie müssen aus 90 Meter Entfernung einen Bierdeckel treffen“, sagt Ehrkamp. „Da braucht man innere Ruhe und Konzentrationsfähigkeit.“

Auch wenn heute der Sport an erster Stelle stehe, versuche der Verein die Tradition weiter leben zu lassen. Natürlich findet ein Schützenfest mit Vogelschießen und Krönungsball einmal im Jahr statt, auch die über 80-jährige Freundschaft zum Schützenverein Isselburg pflegen die Mülheimer sorgsam. „Nach dem ersten Weltkrieg haben die Besatzungsmächte das Schießen in Mülheim untersagt“, erzählt Ehrkamp. Ein Mülheimer Schütze fragte kurzerhand einen Verwandten in Isselburg – die luden die Mülheimer zu sich auf die Schießanlage ein, damit sie ihr Schützenfest dort feiern konnten. Bis heute besuchen sich die Schützen gegenseitig und feiern gemeinsam. Das wird wohl auch in 175 Jahren noch so sein.