Saarn/Selbeck.

Ungeübte Augen sehen nur Sitzecke, Kochstelle, Bett, Toilette. Und das auf wenigen Quadratmetern. Doch wer durch Otto Mais Augen schaut, sieht hier ein Wohnzimmer, eine Küche, ein Schlafzimmer, ein Bad. Der sieht einen Kleiderschrank, zwei Fenster, jede Menge Stauraum, warmes Wasser und eine Heizung – kurz: ein Zuhause. Zum Mitnehmen.

Der Geschäftsführer von Thrun Caravaning hat nicht nur selbst eine Schwäche für Wohnwagen, er verkauft sie auch, zwischen Autobahnkreuz Breitscheid und der Mendener Brücke, auf der B1, die als Europas größte Caravanmeile gilt. Rund 24 Händler haben sich hier angesiedelt, bieten neue und gebrauchte Wohnwagen, Reisemobile, Mietfahrzeuge, Zubehör und Service an.

Wohnwagen ist nicht gleich Wohnwagen

Doch Wohnwagen ist nicht gleich Wohnwagen, das merkt man schnell, wenn man über das Gelände geht. Es gibt sie in groß, in klein, modern, klassisch, extravagant, schlicht, mit Doppelbett, französischem Bett oder Stockbetten. Mai steht vor einem modernen Modell von „Hobby“ mit getönten Fensterscheiben. „Der ist etwas sportlicher mit abgerundeten Ecken“.

An den klassischen eckigen Wohnwagen, der früher zu Hauf über Deutschlands Straßen gezogen wurde, erinnert hier kaum noch etwas. Innen ist alles aus schickem, dunklem Holz. „Die Möbelindustrie setzt die Trends, und die Wohnwagenbauer passen sich an“, erklärt Mai. Er zeigt auf die vielen Schränke über der Sitzecke, die an Aufbewahrungsklappen im Flugzeug erinnern. „Manche richten sich hier einen ganzen zweiten Haushalt ein, damit sie nicht erst alles einräumen müssen und schnell wegkommen“.

Satellitenantennen fürs Fernsehen

Den Camping-Urlaubern sind auch sonst kaum Grenzen gesetzt. Satellitenantennen ermöglichen deutsches Fernsehen, und Solaranlagen machen unabhängig von fremden Stromquellen. Nur das Portemonnaie setzt eine Grenze. Der moderne Wagen kostet etwa 22.000 Euro. Ein etwas kleineres Modell mit Stockbetten rund 18.000 Euro. Wer weniger zahlen will, muss meist umbauen. Wo tagsüber gegessen wird, wird dann nachts geschlafen. Im Handumdrehen werden Tischbeine halbiert und Sitzpolster verteilt.

Für ein Reisemobil müssen schon 50.000 bis 60.000 Euro auf den Tisch. Schließlich wird hier ein ganzes Fahrzeug mit Motor mitbezahlt. Mai sitzt auf dem Beifahrersitz und dreht ihn mit dem Rücken zur Frontscheibe in Richtung Wohnkabine. „Das geht auch mit dem Fahrersitz“, sagt er. „Nur während der Fahrt ist das nicht erlaubt.“

Im hinteren Teil versteckt sich hinter einer Tür sogar eine Dusche. Schließlich seien Wohnmobil-Reisende nicht immer auf großen Campingplätzen mit sanitären Einrichtungen. Doch wer reist eigentlich mit Wohnwagen und wer mit Reisemobil? „Der Wohnwagen ist mit einem Kombi zu vergleichen“, erklärt Mai. „Er ist etwas gemütlicher, mit ihm bleibt man fest irgendwo stehen und macht Badeurlaub. Das Reisemobil ist eher ein Sportwagen, mit dem ist man viel unterwegs. Sonst lohnt es sich auch nicht.“

Kunde kam aus Südkorea 

Auch die Besucher der Caravanmeile haben oft eine längere Fahrt hinter sich. „Das Einzugsgebiet ist sehr groß“, sagt Mai. Einer seiner Kunden kam aus Südkorea. „Der hat gleich mehrere Fahrzeuge gekauft, um diese Urlaubsform in seinem Land bekannt zu machen.“

Doch auch Mülheimer Camper wissen das vielfältige Angebot in ihrer Stadt zu schätzen. Ein paar hundert Meter weiter die Caravanmeile entlang, stecken Renate und Wolfgang Driessen ihre Köpfe in ein Wohnmobil auf dem Gelände des Hymer-Zentrums. Sie sind treue -Kunden – seit 1978. Allerdings sind sie dieses Mal im Auftrag ihrer Tochter unterwegs. Sie selbst haben ein Modell von 1994 zu Hause stehen. „S-Klasse, Mercedes, das war damals das Beste, was es gab“, sagt Wolfgang Driessen stolz.

Caravan SalonDieses Jahr waren die beiden schon sechs Wochen mit ihrem Wohnmobil unterwegs. Auch Metropolen wie Paris oder Barcelona wurden bereits mit dem Mobil angefahren. Am liebsten fahren sie in die Pfalz. Aber was ist denn nun das besondere an dieser Art zu reisen? „Man ist immer mobil, wenn es einem irgendwo nicht gefällt, kann man sofort den Standort wechseln“, sagt der 72-Jährige.

Frankreich als reisefreundlichstes Land

Und auch aus seiner Frau sprudelt es heraus: „Es ist eine tolle Sache, wenn man gerne aktiv ist und sich seine Reise selbst zusammenstellen möchte. Das reisefreundlichste Land ist Frankreich. An jedem Schloss, überall, gibt es dort einen Stellplatz mit Ver- und Entsorgungsstation.“ Das preisgünstigste Campingland jedoch sei Deutschland, sagt Wolfgang Driessen. Und noch ein Vorteil habe ihr Heimatland. „In Deutschland darf man überall wild stehen. In Holland nicht.“ Das musste das Ehepaar schon mal am eigenen Leib erfahren, als sie um zwei Uhr nachts vom Parkplatz gejagt wurden.

Wenn man den beiden Vollblut-Campern zuhört, verblasst immer mehr die Vorstellung vom dickbäuchigen Herrn, der mit Bierflasche und Doppelrippunterhemd auf seine Gartenzwerge aufpasst – ein beliebtes Camper-Vorurteil. Doch ein paar Meter weiter, da steht er dann doch noch. Ein klassischer Wohnwagen, so wie ihn sich Nicht-Camper vorstellen. Klein, eckig, gelblich, Jahrgang 1986. Auch solche Wagen würden heute noch genommen, versichert Hymer-Verkäufer Frank Kürsten. 2900 Euro soll das gute Stück kosten. „Zu 50 Prozent landen solche Modelle auf dem Bau“, sagt Kürsten. „Oder es ist einfach eine Geldfrage. Auf den barocken Charme steht heute keiner mehr.“

Zu besten Zeiten 28 Händler 

Sie hat viele Namen: Kölner Straße, Bundesstraße 1, Europas längste Caravanmeile. Rund 24 Caravan-Händler tummeln sich heute in dem Bereich zwischen Autobahnkreuz Breitscheid und Mendener Brücke. Sie ziehen internationales Publikum an.

Ihren Ursprung hat die Meile in den 60er Jahren. Die erste entsprechende Gewerbeanmeldung, die dem Mülheimer Ordnungsamt vorliegt, stammt aus dem Jahr 1962. In den achtziger Jahren dann hatte sich die Gegend als beliebte Caravanmeile etabliert. Aus den vier Händlern, die hier im Jahr 1980 ansässig waren, wurden bis 1989 zwölf. Zu besten Zeiten – im Jahr 2007 – waren an der Straße 28 Caravan-Händler angesiedelt. Einziges Problem, aus Sicht der Stadt: Die gewerblich genutzten Flächen drangen immer mehr in die freie Landschaft vor. Schließlich braucht so ein Caravan-Händler für Wohnwagen, Wohnmobile, Werkstatt und Lagerung viel Platz.

Warten auf Bebauungspläne

„Anfang der 90er Jahre haben wir dann Rahmenkonzepte erstellt, die die gewerbliche Nutzung weiterhin ermöglichen, aber sogenannte grüne Fenster belassen, also Ausblicke auf die umliegende Landschaft“, erklärt Jürgen Liebich, Abteilungsleiter der städtischen Bauleitplanung.

Infolge dessen seien vor etwa sieben Jahren Bebauungspläne eingereicht worden, von denen bis jetzt zwei rechtswirksam seien. Für die betroffenen Händler bedeutet das Planungssicherheit. Sie können ihr Gelände so ausnutzen, wie es der Bebauungsplan vorsieht. Alle anderen Händler müssen noch etwas Geduld haben und sich solange noch näher an der Straße ausrichten. Aber warum dauert so etwas eigentlich so lange? Aufgrund der Personallage gäbe es eine Prioritätenliste, erklärt Liebich und räumt ein: „Die Kölner Straße ist dabei in der Vergangenheit nicht immer Priorität gewesen.“

Ziel sei es jetzt jedoch, die etablierte Caravanmeile in ihrem Bestand zu sichern. Neue Händler werden es jedoch schwer haben, sich dort anzusiedeln. „Das geht nur, wenn sie ein altes Objekt übernehmen“, so Liebich. „Neu bauen geht nicht“.