Mülheim. .
Für die alte Dame war es ein Alptraum. Am Abend des 11. Dezember 2011 öffnete die 90-Jährige einer Frau in einem wohlsituierten Viertel von Speldorf die Tür. Die Unbekannte fabulierte von einer Autopanne, kam in die Wohnung und ließ dort ihren Komplizen hinein.
Was dann folgte, war abscheulich. Das Duo ging mit roher Gewalt gegen die Wehrlose vor, versuchte sie mit Kabelbindern am Hals zu fesseln und als dies misslang, weil sich die Seniorin mit dem Mut der Todesangst wehrte, sperrten sie die Frau verletzt in einen fensterlosen Raum. Aufmerksame Nachbarn, die sie vermissten, fanden sie dort 18 Stunden später, durstig, verängstigt, kraftlos.
Heute geht es der Frau wieder besser, den Tätern nicht. Sie wurden inzwischen gefasst und vom Landgericht Duisburg zu außerordentlich hohen Strafen verurteilt, zu zehn und zu acht Jahren Gefängnis. Ob das Urteil Bestand und damit Signalwirkung hat, ist allerdings noch offen.
Tortur und Todesangst
Wie der Sprecher des Landgerichts, Bernhard Kuchler, bestätigte, erkannten die Duisburger Richter auf einen „besonders schweren Raub“; ein Verbrechen, das sogar mit maximal 15 Jahren Haft bewehrt und an Bedingungen geknüpft ist. Die Täter müssen eine Waffe benutzt oder das Opfer „schwer misshandelt“ haben. Nun ist ein Kabelbinder keine Waffe im klassischen Sinne und streng medizinisch trug die 90-Jährige Abschürfungen am Hals davon, wie die Verteidigung anmerkte. Und auch die Beute rechtfertigt kaum eine besondere Schwere.
Die Täter trugen 226,88 Euro in bar, eine Silberkette, eine EC-Karte und zwei Reisewecker davon. Dennoch: Das Gericht maß dem Gesamtablauf der Tat, der Tortur und der Todesangst in der Dachkammer entscheidende Bedeutung bei. Letztlich hatte auch die 90-Jährige mit einem resoluten Auftritt vor Gericht das Geschehen eindrucksvoll wiedergegeben. Da half es den Tätern nicht, im Gerichtssaal geständig zu sein (bei der Polizei hatten sie noch geschwiegen) und vor dem Urteil ihrem Bedauern Ausdruck zu geben („Ich bereue die Sache“).
Angeklagte wollen in Revision gehen
Die Verteidiger der beiden Hauptangeklagten wollen nun in Revision gehen, wie sie dem Gericht ankündigten. Auf Anfrage wollte sich die Düsseldorfer Kanzlei indes nicht äußern. Frühestens Mitte nächsten Jahres muss nun der Bundesgerichtshof in Karlsruhe darüber entscheiden, ob die strikte Wertung der Duisburger Richter haltbar ist. So lange bleiben die Verurteilten natürlich in Haft.
Diese Umgebung kennen sie, erfahrene Kripobeamte sprechen da gerne von „Berufsverbrechern“. Vor Gericht wurde gleichsam in Familie verhandelt. Gleich mehrere Fälle hatte die Polizei geklärt, als sie den Haupttäter, einen 31-Jährigen, im März fasste, unter anderem räuberische Überfälle auf eine Tankstelle und auf einen Versandhandel. Wegen dieser Verbrechen standen auch andere Familienmitglieder vor dem Duisburger Gericht. Für das konsequente Urteil gegen den 31-Jährigen und die Mutter seiner zwei kleinen Kinder, eine 29-Jährige, war aber die Speldorfer Tat ausschlaggebend.
Die Hoffnung, durch die Verhaftung hätten sich vergleichbare Raubüberfälle auf Senioren in Mülheim geklärt, hat sich nicht bestätigt. Für den letzten Fall kommen die Verurteilten ohnehin nicht infrage. Ende April wurde eine 92-Jährige am Kuhlendahl auf gleiche Weise malträtiert, überfallen, gefesselt, in den Keller gesperrt und beraubt. Hier fehlt der Polizei noch immer eine heiße Spur.