Mülheim..

Es ist eine nur schwer erträgliche Vorstellung, um wie viel Kreativität sich Deutschland selbst gebracht hat. Während der Nazi-Diktatur wurden diejenigen, die nicht „auf Linie“ waren, Menschen mit und ohne jüdische Wurzeln zwangsausgewiesen oder flohen aus dem Hitler-Deutschland in die Emigration.

So erging es auch der Familie Hahn: Die Kopie eines alten Auszuges in Sütterlinschrift aus dem Mülheimer Melderegister hält Dr. Gerhard Ribbrock in den Händen. Danach wurde der Familie Hahn 1941 die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt. Der stellvertretende Museumsleiter hat sich im Stadtarchiv und dem Mannesmann-Archiv umgeschaut und das eine oder andere über den prominenten Gast herausgefunden, der Anfang August in Mülheim erwartet wird: Cornelia Hahn Oberlander, die in Kanada zu einer bedeutenden Landschaftsarchitektin aufstieg, kommt in die Stadt an die Ruhr zurück, wo sie 1921 geboren wurde und die ersten Jahre ihres Lebens verbrachte.

Mit 91 Jahren auf großer Reise

Mit 91 Jahren reist die Dame aus Vancouver an. „Sie muss noch sehr fit sein“, weiß Museumsleiterin Beate Reese. Vier Tage lang gehe sie noch in ihr Büro. In Mülheim ist man gespannt auf die Frau und ihre Geschichte. Eingefädelt wurde die Einladung von Susanne Dickel von der Initiative für Klimaschutz. Denn als sich in Deutschland noch kein Mensch Gedanken um Staudenbepflanzung und Umwelt gemacht hat, war Cornelia Hahn Oberlander bereits eine Streiterin für gute Luft und Ökologie. Mit ihren Parks und Dachgärten hat sie die Städte Kanadas geprägt und zahlreiche Architekturpreise erhalten.

Rauschende Wasserfälle neben großen Stahl- und Glaskomplexen übertönen der Verkehrslärm, Stufen und Rampen zum Verweilen lockern die gleichförmige Tristesse auf und Innenhöfe sind klar strukturiert mit Feigenbäumen, Farnen und Blumen der Saison bepflanzt.

Ein Taiga-Garten vor der Kanadischen Nationalgalerie erinnert an das Gemälde Terre Sauvage des kanadischen Malers Alexander Young Jackson und ein Zick-Zack-Pfad führt Besucher hoch zum Nepean Point Park in Ottawa. Cornelia Hahn Oberlander gestaltete aufwändige Dachterrassen, darunter auch den Dachgarten der neuen Botschaft von Kanada in Berlin. Schon immer war es ihr Bestreben, die Lebensbedingungen von Menschen mit der Architektur in den Großstädten in Einklang zu bringen und schuf grüne Oasen im Beton.

Flucht nach England

In einem Buch über ihre Arbeit sagt Cornelia Hahn Oberlander: „Das soziale Verantwortungsbewusstsein habe ich von meiner Familie geerbt.“ Urgroßvater Albert Hahn, der die Hahnschen Werke (heute Mannesmann Röhrenwerke) in Mülheim gegründet hatte, richtete als ein sozialer Vorreiter eine Renten- und Krankenversicherung für seine Arbeiter ein. Ihre Eltern waren an moderner Architektur und Kunst interessiert. Die Mutter liebte Tanzveranstaltungen des Bauhauses in Dessau und schrieb Gartenfibeln. Der Vater war fasziniert von den industriell vorgefertigten Häusern von Walter Gropius.

Die Familie hatte jüdische Wurzeln. Von Mülheim übersiedelte sie zunächst nach Berlin. Nach der Pogromnacht 1938 floh Cornelia Hahn Oberlander mit ihrer Mutter und Schwester nach England, dann in die USA. Dort studierte sie später Kunst und Landschaftsarchitektur – unter anderem an der Harvard Universität bei Walter Gropius, der ebenfalls emigrieren musste. „Mein Lehrer war Walter Gropius, der uns Studenten nicht nur Fachwissen vermittelte, sondern auch Teamwork beibrachte, wie ich es heute noch praktiziere“, sagt sie.

Im Jahr 1953 ging die Landschaftsarchitektin nach Kanada und machte sich anfangs vor allem um Projekte für den sozialen Wohnungsbau und für Spielplätze verdient, bevor sie sich später größeren Projekten widmete. Die Metropole Vancouver trägt die Handschrift der gebürtigen Mülheimerin. Für ihre innovativen Landschaftprojekte wurde Cornelia Hahn Oberlander zahlreich ausgezeichnet. So erhielt sie u.a. den Kanada-Orden, die höchste Auszeichnung des kanadischen Staates.

Die Arbeiten der aus Mülheim stammenden Pionierin hat die Dortmunder Fotografin Etta Gerdes im Auftrag des Goethe-Institutes Montreal porträtiert. Die Fotografien sind in der aktuellen Ausstellung noch bis zum 5. August im Kunstmuseum zu sehen.

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