Mülheim. Lkw-Fahrer werden immer wieder Opfer böswilliger Angriffe. Eine Methode: Die Täter sprühen Nervengas in die Fahrerkabine und betäuben so die Fahrzeugführer. Um das Risiko eines Überfalls zu mindern, steuern die Fahrer bewachte Parkplätze an und meiden die Rast auf berüchtigten Streckenabschnitten.

Für den Fernfahrer Klaus Werner (Name von der Redaktion geändert) schien es ein ganz normaler Auftrag zu sein. Gegen Abend hatte er seinen 40-Tonner auf einem Rastplatz kurz vor Antwerpen geparkt, im Fahrerhaus sein Bett gerichtet und den Wecker gestellt. Das Schellen hörte er nicht mehr.


Als der Berufsfahrer am nächsten Morgen viel zu spät um 10 Uhr aufwachte, hatte er hämmernde Kopfschmerzen. Sein Lkw war aufgebrochen, die Ladung und seine Habe durchwühlt, das Portemonnaie gestohlen. Klaus Werner war Opfer eines bösartigen Überfalls geworden. Gangster hatten Nervengas in die Fahrerkabine gepresst und den wie narkotisiert Schlafenden ausgeraubt. Durchaus kein Einzelfall.

Schüsse auf Neuwagen

Von solchen Straftaten – und noch anderen Delikten – wissen auch hiesige Transportunternehmer und Fahrer zu berichten. „Einem Kollegen von mir haben sie mal nach einem solchen Gasangriff wirklich alles geklaut: Handy, Navi, Laptop, Geld, Fernseher, Kleidung. Der Mann hatte praktisch nichts mehr.“ Und Hajo Fleig, Geschäftsführer bei der Josef Fleig GmbH, weiß gleich auch eine Strecke zu nennen, auf der man bis vor einiger Zeit besser keinen Zwischenstopp einlegte: „Zwischen Groningen und Amsterdam war das Ausrauben von Fahrern und Klauen von Ladung eine Zeit lang Tagesgeschäft.“

In Teilen Südeuropas sei das Betäuben von Fahrern mittels Gas noch heute Gang und Gäbe, erzählt Carsten Rosendahl, Chef der gleichnamigen Spedition. „In gewissen Regionen macht man als Transportfahrer besser keine Pausen.“ Gefährlich seien zum Beispiel der Mittelmeerbereich an der spanisch-französischen Grenze oder die Strecke Saragossa – Valencia. In Italien sei vor allem der Süden unsicher. „Es gibt ein Autowerk bei Neapel. Dem Fahrer des Autotransporters wird dringend geraten, besser gleich bis Verona durchzufahren, bevor er Rast macht.“

Mit dem Gewehr auf Neuwagen geschossen

Spediteur Heinz Obermann warnt vor einer weitaus näher liegenden Strecke: „Bei der Anfahrt zum Hafen von Antwerpen bleiben unsere Fahrer immer auf der deutschen Seite stehen, um ja nicht in Belgien pausieren zu müssen.“ Aber auch Parkplätze hier im Ruhrgebiet seien nicht hundertprozentig sicher, erzählt ein Fahrer.

Obermann weiß aber noch von einer weiteren, gefährlichen Art und Weise zu berichten, wie Transporte attackiert werden: „Da schießen irgendwelche Idioten mit Gewehren von einer Brücke auf Neuwagen, die ein Sattelzug transportiert. Das Ziel der Täter ist, die Neuwagen zu beschädigen.“ Der Elzer Berg, wo die Lkw ziemlich langsam fahren, sei so eine Stelle. „Täter wurden bislang nicht ermittelt. Nach ein paar Monaten hieß es, das Ermittlungsverfahren sei eingestellt.“

Zurück zu den Gasangriffen. „Wenn die Ladung oder gleich der ganze Auflieger gestohlen wird, passiert das in der Regel sehr gezielt. Die Täter wissen, was in den Containern ist. Fährt der Transporter aus dem Hafen, wird er so lange verfolgt, bis der Fahrer Pause macht, und dann schlagen die Täter zu“, so Fleig. Woher sie über die Ladung Bescheid wissen? „In den Häfen arbeiten zigtausende von Menschen. In den Frachtpapieren ist genau verzeichnet, was in welchem Container drin ist.“

Nur bewachte Parkplätze anfahren

Kann man sich irgendwie gegen solche Taten absichern? Zum einen sollten, wenn es irgendwie möglich ist, nur bewachte Parkplätze angefahren werden. „Aber die Kameraüberwachung ist auch nicht lückenlos“, erzählt ein Fahrer. Zum anderen bauen etwa DAF und Mercedes bei neuen Transportern sogenannte Gaswarngeräte gleich mit ein. „Die machen einen wirklich höllischen Lärm“, weiß Fleig. „Man kann solche Geräte aber auch nachträglich als Zubehör kaufen. Wir haben die seit zehn Jahren in unseren Fahrzeugen“, sagt Rosendahl. Zudem gibt es besondere Sicherungsmöglichkeiten an Türen und Laderaum.

„Und ich verbinde Fahrer- und Beifahrertür immer mit einem Spanngurt, so dass sie nicht von außen zu öffnen sind“, erzählt ein versierter Fahrer, der aber im gleichen Atemzug ergänzen: „Doch die Scheiben kann man von außen dann immer noch einschlagen.“