Mülheim. Die Mülheimer Redakteurin Susanne Storck ist 2716 Kilometer lang gen Süddeutschland geradelt, und zwar „mit wenig Geld und viel Gepäck“. NRZ-Redakteur Nikolaos Georgakis sprach mit ihr über die meditative Kraft des sich Abstrampelns.

Andere buchen ein Wellness-Wochenende, Susanne Storck hat auf Feldern gearbeitet, bei einem Ziegenzüchter den Stall gefegt und unter freiem Himmel übernachtet. Die Mülheimer Redakteurin hat ihren eigenen Weg gesucht, um dem Hamsterrad Alltag zu entkommen: Sie, die sich vorher nie etwas aus Sport gemacht hat, ist 2716 Kilometer lang gen Süddeutschland geradelt, und zwar „mit wenig Geld und viel Gepäck“.

NRZ-Redakteur Nikolaos Georgakis sprach mit ihr über die meditative Kraft des sich Abstrampelns, die teuersten Momente des Lebens und das Gefühl, auf das Wohlwollen anderer angewiesen zu sein.

Mit Verlaub, Frau Storck, ich glaube Ihnen kein Wort.

Wieso?

Weil Sie in ihrem Buch behaupten, Ihre Reise sei keine Sinnsuche gewesen?

War sie auch nicht.

Aber als Sie wieder zu Hause waren, haben Sie erst mal Ihr Leben geändert. Zuallererst sogar Ihre Liebe in die Wüste geschickt?

Nicht nur. Ich kündigte später auch Freundschaften, die teilweise schon Risse hatten. Die Reise hat etwas mit mir gemacht, ja. Aber vorher war ich definitiv nicht auf einem Selbstfindungstrip.

Auf welchen Trip waren Sie denn?

Ich wollte einfach mal aus dem Hamsterrad raus. Jahr über Jahr funktioniert man in seinem Job, hetzt, rast und rennt doch nur der Zeit hinterher. Diese Reise war meine Art, die Reißleine zu ziehen, bevor es zu spät ist. Ich wollte einfach mal in den Tag hineinleben, gucken was passiert, für mich sein.

Unterwegs mit wenig Geld

Susanne Storck - alleine mit dem Rad in Deutschland unterwegs. Viel Gepäck hatte sie dabei und wenig Geld.
Susanne Storck - alleine mit dem Rad in Deutschland unterwegs. Viel Gepäck hatte sie dabei und wenig Geld. © Storck
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Sie sind aus dem Hamsterrad aufs Fahrrad gesprungen, um sich 2716 Kilometer lang abzustrampeln. Ist Entspannung etwa keine Lösung?

Nein, nur die Hängematte ist nichts für mich. Außerdem kann Radfahren eine meditative Erfahrung sein, wenn man etwa in seinem eigenen Rhythmus versinkt, einem manchmal sogar die Landschaft links und rechts egal wird. Außerdem war das für mich auch eine körperliche Herausforderung, gerade weil für mich vorher Sport immer nur Mord war. Und da ich die eine Hälfte Deutschlands kaum kannte, stand meine Devise ganz schnell fest: Ab in den Süden.

Das war’s dann aber schon an Reisevorbereitungen. Ganz schön naiv, oder?

Auch das war eine Regel, die ich mir gesetzt hatte: Ich wollte simpel und schlicht reisen. Es gibt Menschen, die bereiten so etwas ganz akribisch vor, berechnen bis aufs Gramm genau, welches T-Shirt sie in ihr Gepäck mitnehmen können, tüfteln Strecken wie Landvermesser aus... meine Güte, ich wollte ja nicht für die Tour de France starten.

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Vielleicht wollten Sie einfach nicht wissen, was Sie an Unwegbarkeiten erwartet?

Es gab einen Streckenabschnitt, ab Lindau am Bodensee war das, da kam ich an meine Grenzen, da hatte ich es plötzlich mit richtigen Bergen zu tun. Hinzu kamen drei Tage Dauerregen. Irgendwann stand ich an Bahngleisen, meine Tränen mischten sich mit dem Regen, und ich dachte, jetzt steigst du in den Zug und fährst wieder zurück. Ja, vielleicht war das so gesehen naiv. Aber hätte ich mich vorher mit Schwierigkeitsgraden auseinandergesetzt, wäre ich die Reise gar nicht erst angetreten. So habe ich mich sogar durchs Allgäu gekämpft.

Als wären das nicht Strapazen genug, hatten Sie für ihre siebenwöchige Tour nur 400 Euro Bargeld im Gepäck und keine Geldkarte dabei. Was ist das für ein Gefühl, wenn man zum ersten Mal in seinem Leben um Essen bettelt?

Als ich zum ersten Mal in einem Bäckerladen stand, um nach Brötchen zu bitten, war ich dermaßen aufgeregt. Ich fragte mich, kannst du aufrechten Ganges wieder rausgehen, wenn sie „Nein“ sagt? Und dann habe ich so schnell gesprochen, dass die Verkäuferin mich zunächst gar nicht verstand. Als die Frau dann schließlich „Ja, klar“ sagte, fiel mir ein Mittelgebirge vom Herzen. Das waren die leckersten Brötchen meines Lebens, ich habe drei Tage lang davon gezehrt (lacht)!

Man kann ja auf Großherzigkeit setzen, sie aber nicht voraussetzen. Wie ist es, wenn man auf das Wohlwollen der Anderen angewiesen ist?

Mein Gefühl war, wenn du offen auf die Menschen zugehst und erklärst, was los ist, da kann doch keiner nein sagen. Und meistens hat es geklappt. Ich habe mich eigentlich nicht abhängig gefühlt.

Bis Sie eines Tages in Speyer an Klostertüren klopften...

...und mich Nonnen höflich, aber distanziert zurückwiesen. Ich war felsenfest davon überzeugt, gerade in einer kirchlichen Institution werde man mir helfen. Es war ja noch nicht mal so, dass ich nach Almosen verlangte. Ich bot an, für eine Übernachtung etwas Caritatives zu machen. Den abweisenden Blick einer Ordensschwester, die mir die Tür vor den Augen schloss, werde ich nie vergessen. Wäre mir das öfter passiert, weiß ich nicht, ob ich das so durchgezogen hätte. Aber es war zum Glück ein seltenes Erlebnis von Zurückweisung.

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Stattdessen haben Sie als Tagelöhner Pflaumen- und Kirschen gepflückt und mit polnischen Landarbeitern Zucchinis geerntet, die müssen Sie doch für einen Freak gehalten haben.

Die waren am Anfang schon etwas skeptisch, klar. Aber als die gesehen haben, dass ich zupacken kann, war ich voll akzeptiert. Das war ein Türöffner, wenn die Menschen gemerkt haben: Hey, die will hier nicht schnorren, die tut was für ihre Kost und Logis. Ich hab’ das auch gern gemacht, weil ich neue Erfahrungen gesammelt habe. Wann arbeitet man schon im Ziegenstall?!

Kein Mensch kommt als der zurück, der er vor einer Reise war? Was machen Sie seitdem in Ihrem Leben anders?

Ich pflege Freundschaften intensiver. Und so sehr ich meinen Beruf liebe, es gibt noch mehr im Leben. Deshalb habe ich ein Angebot meines Arbeitgebers genutzt und meine Arbeitszeit reduziert. Ich verdiene jetzt zwar weniger, habe aber mehr Zeit für andere Dinge, die mir wichtig sind. Die Frage ‚Was muss sein, damit es dir gut geht?’, beantworte ich heute ganz anders. Glück mache ich nicht mehr in erster Linie an materiellen Dingen und Sicherheit fest.

Sie meinen, die schönsten Momente im Leben sind kostenlos zu haben?

Exakt, genauso ist es. Ach, und noch etwas: Seit dieser Reise kann ich kein Essen mehr wegwerfen. Wer weiß, wie hart es ist, Zucchini zu ernten, der bekommt ein ganz anderes Verhältnis zu Lebensmitteln.

  • Susanne Storck: Abgefahren. Auf dem Rad durch Deutschland mit wenig Geld und viel Gepäck. 115 Seiten, Sportwelt-Verlag, 9,95 Euro