Mülheim. .
Im Notfall hilft ein Wiesenpflaster: Der Spitzwegerich ist für seine schmerz-, entzündungs- und juckreizlindernden Inhaltsstoffe bekannt, die bei Insektenstichen, Brennnesselquaddeln oder Schnittverletzungen helfen. Stefanie Horn hat sich in der Pflanzenkunde schlau gemacht. Die 37-jährige Lehrerin für Biologie, Chemie und Sozialwissenschaften betreut den Kräutergarten am Kloster Saarn. Gerade packt sie eine Zusatzausbildung als Wild- und Heilkräuterpädagogin drauf.
Neben einer mannigfaltigen Heil- und Genusswirkung ranken sich Mythen und Märchen um so manche Pflanze: Bärlauch hilft gegen Verhexung und Johanniskraut dient zur Teufelsabwehr – das zumindest glaubten die Menschen im Mittelalter. Den Liebeszauber entfachte Odermennig, ein ganz historisches Kraut wie auch die Färbepflanzen Wau (Gelb) und Krapp (Rot).
Thymian macht mutig
Der Frauenmantel heißt lateinisch „Alchemilla vulgaris“ und das hat seinen Grund: „Früher haben die Alchimisten gedacht, sie könnten aus dem Saft Glas machen“, weiß Stefanie Horn. Dagegen vereinte das Mädesüß zwei praktische Wirkungen in sich: Damit wurde Met, Honigwein, gesüßt, und da die Pflanze Salicylsäure produziert, wurde das Aspirin gleich mitgeliefert. Thymian hilft nicht nur gegen Erkältung und stärkt die Abwehrkräfte, sondern macht auch mutig: Eine Tasse blühendes Thymiankraut unters Kartoffelgratin gemischt vertreibt die Schüchternheit. „Man sollte sich ruhig trauen, die Küche mit frischen Kräutern zu beleben.“
Ein köstlicher Duft weht übers Gelände: Angelegt ist die Fläche „kreuzförmig in der Grundstruktur eines mittelalterlichen Kräutergartens“, erläutert Stefanie Horn. Die Hochbeete sind mit Ruhrsandstein eingefasst. Eine Alternative wäre Weidengeflecht gewesen, „aber das ist nicht so haltbar“. Wie der Klostergarten einmal im 13. und 14. Jahrhundert im Detail ausgesehen hat, ist leider nicht überliefert.
Schlehe durfte in keinem Haus fehlen
„Es gab keine Aufzeichnungen.“ Lediglich Samenfunde im Brunnen ließen auf eine Benediktiner-Distel schließen. So hat man sich der Auswahl der rund 100 Pflanzen an der Landgüterverordnung Karls des Großen und an den Schriften der Hildegard von Bingen orientiert.
Nebenan auf der Wiese entwickeln sich die frischen Stecklinge, Gehölze mit alten Obstsorten wie die Graue Renette, „ein Apfel, wie er von den Zisterzienserinnen gezüchtet wurde“. Und die Schlehe, die damals als Schutzpflanze in keinem Haus oder Dorf fehlen durfte, „weil die Menschen annahmen, dass in ihr ein guter Geist wohnte“, weiß Stefanie Horn.
Kräutergarten lockt viele Menschen
Eröffnet im Mai als Außenstation des Klostermuseums, hat der Klostergarten seine blühende erste Saison hinter sich. Eine erfolgreiche Saison, in der Stefanie Horn froh feststellte, „dass das Interesse an Naturnähe gestiegen ist und der Kräutergarten viele Menschen lockt“. Jeden zweiten Sonntag im Monat bietet sie Führungen an. Das Angebot ist ausbaufähig: Ein Ziel ist der Kräutergarten als außerschulischer Lernort.
Das alte Wissen um die Heil- und Genusskraft der Pflanzen und Kräuter, die Aromatherapie für Körper und Seele möchte Horn wieder aufleben lassen. Die Idee ist, „im nächsten Jahr einen Workshop für die Verarbeitung von Kräutern anzubieten.“ Als Tinktur oder zum Kochen. Die Ringelblume hat als Salbe nicht nur große Wundheilwirkung, sondern „schmeckt lecker, über den Salat gestreut, und ist auch was fürs Auge“
Kloster Saarn
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