Mülheim. Die Städte sollen selbst darüber entscheiden, ob sie die Kosten für ein Sozialticket tragen wollen. Mülheims Kämmerer Uwe Bonan kritisiert dies: “Nicht der richtige Weg.“
Die Frage eines Sozialtickets für Mülheim wird zum Schwarzen-Peter-Spiel: In der vor wenigen Tagen im VRR-Vermittlungsausschuss getroffenen Einigung zwischen Verkehrsbetrieben und Politik sollen die Kommunen nun doch die Risiken der Kosten für den vergünstigten Fahrschein tragen. Statt einer erwarteten Kostenübernahme durch das Land hat man den Kommunen überraschend eine Hintertür geöffnet: Sie können ja aus dem Pilotprojekt aussteigen.
Den Schwarzen Peter hat demnach die Stadt: Führte Mülheim das Ticket im November ein, wäre der Haushalt durch ein Defizit von weiteren 300.000 Euro belastet. So schätzen MVG und Stadtverwaltung die Kosten ein. Personalkosten für die Organisation sind darin nicht enthalten. Kämmerer Uwe Bonan ist verärgert: Im Oktober 2010 entschied die Politik, dass die Kommunen durch das Ticket nicht belastet werden dürfen.
Land lässt sich feiern, Kommunen sollen zahlen
Nun lasse man sich im Land mit der Einführung des Tickets im VRR feiern, die finanzielle Last und damit die Entscheidung gebe man aber an die Kommunen weiter, kritisiert Bonan nun in einem offenen Schreiben an das Ministerium für Inneres und den Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR).
Denn die allermeisten Ruhrgebietskommunen dürften diese „Wahl“ erst gar nicht haben, gerade einmal zwei Prozent erreichen einen ausgeglichenen Haushalt. Die anderen – so auch Mülheim – fallen unter den Nothaushalt und müssten aus dem Sozialticket aussteigen oder diese „freiwilligen“ Zusatzkosten anderswo einsparen. Nur wo?
Darüber müsste der Rat der Stadt bis Ende September befinden, legte der VRR die Frist fest. Ein weiteres Problem, denn die erste Ratssitzung nach den Ferien ist für den 6. Oktober geplant. Eine Fristverlängerung ist bereits beantragt. Das Sozialticket – ohnehin nur als Pilotprojekt bis Ende 2012 geplant – scheint damit in weite Ferne zu rücken.
Grünen sind optimistisch
Optimistisch sind dennoch die Mülheimer Grünen, sie rechnen mit weniger Kosten, „vielleicht sogar mit einem Plus“, sagt ihr verkehrspolitischer Sprecher Axel Hercher. Er glaubt, dass die Berechnungen der MVG zu hoch sind. „Sie gehen davon aus, dass Hartz-IV-Empfänger viele Einzeltickets gekauft haben, die mit dem Sozialticket wegfallen würden.“ Das sei aber unwahrscheinlich angesichts der 22 Euro, die für Mobilität nach ALG2 kalkuliert sind. Das Risiko von 300 000 Euro will man eingehen, „wir werden dafür stimmen“, sagt Hercher.
Auf Risiko spielen oder aussteigen?
Kann sich die Stadt das Sozialticket leisten? Auch die CDU ist vorsichtig geworden, Fraktionsgeschäftsführer Hansgeorg Schiemer will nach der bisherigen Diskussion „verlässliche Zahlen der MVG“ und den Beschluss des VRR-Verwaltungsrats abwarten. Der tagt am Dienstag. Vorsicht auch bei der SPD: „Das Ticket wäre wünschenswert“, sagt Rolf Mühlenfeld, SPD-Mitglied im VRR, doch dem Gesetz nach müsste es die Bezirksregierung für Nothaushaltskommunen unterbinden. Aus gut informierten Kreisen heißt es aber derzeit: „Wer nicht fragt, bekommt auch keine negative Antwort...“