Mülheim. . Das Jugendstück „Fidirs“ in der Regie von Ferhat Keskin hat Premiere im Theater an der Ruhr. Die Inszenierung betrachtet den deutsch-türkischen Alltag auf humorvolle Weise. Auf der Bühne stehen Jugendliche, die nur wenig Theatererfahrung haben.

Alles eine Frage der Ehre: Als wäre er gerade dem anatolischen Hinterland entflohen, schlägt sich Onkel Jussuf mit Stock und Hut, mit fester Moral und harter Hand durch den deutschen Großstadtdschungel. Eben gelandet, ist er schon am deutschen Zoll gescheitert: „Ich komme von Türkei. Habe Gold bei mich. Stecken in Käse rein. Dann ich laufen durch Zoll. Polizei sagen: Käse verboten. Gold weg. Käse weg.“

Onkel Jussuf ist so etwas wie der Herbert Knebel auf Türkisch: Mit unverfälschtem Dialekt verteidigt er seine türkischen Traditionen wie Knebel den Kiosk am Eck. „Komme von Türkei, gucke, Neffe machen pfffff“. Gemeint ist das Gerangel von Jugendlichen, die auf einer Wiese Party machen. Und dann kommt auch noch das „Missverstehen“ mit dem Handabhacken dazu. Denn Theresa soll seinem Neffen Fatih die „Hand geben für Heirat“. Vor der traditionellen türkischen Übermacht verschanzt sich die deutsche Familie hinter ihrem Bruch-Mobiliar. Vater Jürgi (Jürgen), ein Alt-Hippie mit Bundeswehrhelm auf der Schnittlauchfrisur, wehrt erfolglos Onkel Jussufs Okkupationsgelüste ab.

Geschichten aus dem deutsch-türkischen Alltag

Alles scheitert am schnöden Mammon. Wie auf einem Basar feilscht Onkel Jussuf um die Hand der Tochter. Bei zwei Schafen, plus „ein Plasma“ samt Premiere, plus BMW, plus fünf Tage „Bllb “ (Beauty-Urlaub) für die Mutter ist der Kuhhandel perfekt. Zur Hochzeit dudelt glückselig türkische Folklore. Wäre da nicht plötzlich der böse Wolf aufgetaucht, um das Rotkäppchen zu verführen – mit Döner und Macho-Allüren.

Es ist eine Geschichte aus dem deutsch-türkischen Alltag, so wie ihn Jugendliche beider Nationalitäten erleben. Mit tief verwurzelten Traditionen und mit Missverständnissen auf beiden Seiten, der Angst vor Fremdem, Zweifel, und der Suche nach der eigenen Identität. Die Liebe bespielt dabei natürlich eine ganze große Rolle.

Mit Tempo und Temperament, mit reichlich Situationskomik und lakonischem Witz, mit Gesang und Tanz zeigen die jugendlichen Darsteller das Stück „Fidirs“ (Schwarze Jungs – Weiße Mädchen) anspruchsvoll in vielen Facetten im Theater an der Ruhr. Das Geschehen auf der Bühne korrespondiert mit der fantasievollen Videokunst, die auf einer Leinwand läuft. Diese höchst musikalische Aufführung hat was von einer schrägen Revue, wobei das Fremdeln der Kulturen ironisch auf die Spitze getrieben wird.

Nachfolgeprojekt von „I Kill You“

Die zehn Jugendlichen (fünf deutsche Mädchen, vier Jungs mit türkischen und einer mit deutschen Wurzeln) spielen authentisch – im weitesten Sinne sich selbst. Denn es gab weder eine Textvorlage noch eine Rahmenhandlung. Die Vorgabe war weit gefasst: Es geht um das Fremde in jeglicher Hinsicht, um die „Multikultur“, sagt Regisseur Ferhat Keskin. „Fidirs“ ist das Nachfolgeprojekt von „I Kill You“. Dafür erhielt Keskin den Preis „Kultur prägt!“ der Landesregierung NRW.

Zwei Jungs der Besetzung von „I Kill You“ spielen auch beim neuen Theaterprojekt „Fidirs“ von Keskin wieder mit. Alle anderen Darsteller, alles Laien, haben sich auf eine Anzeige hin zusammengefunden. Seit Oktober 2010 arbeitet Keskin mit ihnen daran. Das Stück kam allein durch Gespräche und Improvisationen zustande. „Es sind die Worte der Jugendlichen, die wir aufgeschrieben haben“, sagt die junge, engagierte Regie-Assistentin Anica Helbach. Das Projekt habe Jugendliche zusammengebracht, die sonst wohl nie zusammengekommen wären.

Das Jugendstück „Fidirs“ in der Regie von Ferhat Keskin hat am Donnerstag, 21. April, 19.30 Uhr, Premiere im Theater an der Ruhr. Das Stück hat Keskin mit Jugendlichen, von denen nur wenige Theatererfahrung haben, gemeinsam erarbeitet: Ein authentisches Stück Alltag ironisch betrachtet. Weitere Termine: 30. und 31. Mai, 19.30 Uhr. Karten: 0208/599 01 88