Mülheim..

Als er seine Karriere begann, musste man sich "als Migrant noch auf der Bühne beweisen". Nun leitet Ferhat Keskin am Mülheimer Theater an der Ruhr sein viertes integratives Projekt mit Jugendlichen. "Glaube, Liebe, Hoffnung" feiert im Mai Premiere.

Das Theater hat Ferhat Keskin gerettet. Es hat ihn vor Fremdbestimmtheit bewahrt und ihn in die richtige Richtung gelenkt.

So empfindet es der Schauspieler und Regisseur, wenn er zurückblickt. Heute können junge Menschen von seinen Erfahrungen lernen. Denn seit mehreren Jahren bringt der 43-Jährige Jugendliche verschiedener Herkunft zusammen auf die Bühne, inszeniert mit ihnen Stücke – momentan das vierte. Sie sollen die Möglichkeiten bekommen, die er als junger Einwanderer nicht hatte: Sich durch die Schauspielerei selbst zu entdecken.

Dafür probt er mit zehn 16- bis 20-Jährigen am Theater an der Ruhr unter dem Arbeitstitel „Glaube, Liebe, Hoffnung“. Für das dritte Projekt „I kill you“ des Jungen Theaters bekamen die jungen Künstler sogar einen Preis der NRW-Landesregierung verliehen.

Im Mai 2011 soll Premiere sein

Die Proben zu „Glaube, Liebe, Hoffnung“, dem aktuellen Projekt, laufen bereits, im Mai 2011 soll Premiere sein. Mindestens zweimal in der Woche treffen sich die Mädchen und Jungs deutscher und türkischer Abstammung mit dem Regisseur im Theater an der Ruhr, um gemeinsam zu spielen. Und nebenbei die kulturellen Barrieren auf der Bühne fallen zu lassen.

„Die Arbeit mit Jugendlichen ist spannend“, findet Keskin. Manchmal sind sie chaotisch, umtrieben, unbeständig. Aber gerade das ist das Besondere.“ Denn: „Jugendliche gehen mit einer Leichtigkeit und Unbedarftheit an Rollen heran, da betrachtet man als professioneller Schauspieler die Dinge aus einem anderen, neuen Blickwinkel.“

Heute stehen Jugendliche mit Zuwanderungsgeschichte selbstverständlich auf der Bühne. „Das war früher anders“, erinnert sich Keskin. Damals, in den frühen Achtzigern, kam er als 14-Jähriger aus der Türkei nach Deutschland – ohne die Sprache zu beherrschen, ohne die deutsche Kultur zu kennen. Der Vater hatte einen guten Job als Gastarbeiter in der Stahlindustrie, sein Sohn sollte ebenfalls eine solide Ausbildung machen. „So habe ich Straßenbauer gelernt“, erklärt Keskin. Der Weg schien vorgezeichnet. „Bis dahin wurde mein Leben bestimmt, von der Politik, von Erwachsenen, der Gesellschaft.“

Als Migrant musste er sich "auf der Bühne beweisen"

Wäre da nicht die Liebe zur Kunst gewesen, die ihn stets umtrieb. Und so entschied er sich: Gegen die Sicherheit und für seine Leidenschaft – die Schauspielerei. „Ich habe im Gastarbeiterverein gespielt, bin als freier Schauspieler durch ganz Deutschland gezogen“, erinnert er sich. „Und habe an zwei Fronten gekämpft: Mich als Migrant auf der Bühne zu beweisen und mich vor der Familie zu rechtfertigen.“

Nach langen Jahren Tingelei durch die Spielhäuser bewarb er sich schließlich am Theater an der Ruhr. „Ich wusste, dass dieses Haus als Vorreiter internationale Künstler engagierte.“ Die Arbeit am Raffelberg habe ihn reicher gemacht, 14 Jahre lang spielte Ferhat Keskin schließlich im Ensemble des TAR und war einer der wenigen Schauspieler mit Migrationshintergrund, die Hauptrollen auf deutschen Bühnen bekamen.

Bis er sich 2006 entschloss, als freier Schauspieler und Regisseur zu arbeiten. Seitdem inszenierte er in seiner Heimat Kurdistan, in Irak und in der Türkei.

"Migranten dürfen sich nicht in ihre Kulturkreise zurückziehen"

Das Projekt mit deutschen und türkischen Jugendlichen mache er nicht zufällig: „Da ich selbst Migrant bin, habe ich einen leichteren Zugang zu den Jugendlichen.“ Dabei gehe er einen Schritt weiter, als die Arbeit der Theaterpädagogik. „Wir bieten mit diesem Projekt einen Raum, in dem die Jugendlichen auf Künstler treffen.“

Denn eines möchte Ferhat Keskin seinem 13-jährigen Sohn, genau wie den Jugendlichen unterschiedlichster Herkunft mit auf den Weg geben: „Migranten müssen sich einmischen, sie dürfen sich nicht in ihre Kulturkreise zurückziehen. Sonst entstehen Grenzen.“

Er möchte die jungen Menschen begleiten, ihnen ermöglichen, sich durch das Rollenspiel besser zu verstehen. Die Bühne sei eben der beste Ort, um sich selbst zu begegnen.

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