Mülheim. Anne Kebben und Ingrid Goertz aus Mülheim engagieren sich seit Jahrzehnten ehrenamtlich für Unicef. Gemeinsam bauten sie die Informationsarbeit der örtlichen Unicef-Gruppe mit auf, die mittlerweile rund 60 ehrenamtliche Helfer hat.
Auch in unserer Stadt gibt es Kinder in Not. Warum engagiert man sich dann, wie Anne Kebben und Ingrid Goertz es tun, seit fast 40 Jahren ehrenamtlich für das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (Unicef) und damit für arme Kinder in den Entwicklungsländern?
„Wir sind immer noch ein reiches Land, das in der Lage ist, Kindern alles zu geben, was sie brauchen. Aber es gibt viele Länder auf dieser Erde, denen das Geld dafür fehlt“, sagt Kebben. Die zweifache Mutter glaubt, dass es in Deutschland vor allem an der Bereitschaft des Staates mangelt, Eltern mit aller Konsequenz deutlich zu machen, „was ihre Aufgabe ist“.
Breite Unterstützung
Anne Kebben kam 1975 mit Unicef in Kontakt. Damals organisierte die pensionierte Leiterin einer Mülheimer Kindertagesstätte mit Eltern einen Basar, der 1850 Mark in die Kassen von Unicef fließen ließ.
Ihre Mitstreiterin Ingrid Goertz kam 1972 dazu. Damals wurde die Bankkauffrau in der Speldorfer Sparkasse von Luise Schlebusch angesprochen, die die Ortsgruppe leitete und fragte, wie man den Verkauf der Unicef-Grußkarten ankurbeln könne. Goertz schaltete sich ein und fand bei ihren Kollegen breite Unterstützung. „Ich habe gelesen, dass weltweit täglich 60 000 Kinder an Krankheiten wie Durchfall oder Masern sterben, weil sie in ihren Ländern nicht angemessen behandelt werden können“, erinnert sich Ingrid Goertz an ein Schlüsselerlebnis. Dass heute nur noch halb so viele Kinder auf der Welt an behandelbaren Krankheiten sterben, sieht sie, trotz der immer noch viel zu hohen Sterblichkeitsraten, als einen Fortschritt, der auch auf den Einsatz von Unicef zurückzuführen ist.
"Das ist doch Zeitverschwendung"
Als Kebben und Goertz in die Unicef-Gruppe einstiegen, gab es diese bereits über ein Jahrzehnt. Die ersten Grußkarten verkauften Frauen vom Deutschen Frauenring schon vor 50 Jahren. Da existierte Unicef Deutschland gerade fünf Jahre. Verkaufsstelle war ein von Heimtrud Neveling und ihrer Schwester betriebenes Geschäft an der Leineweberstraße.
1986 konnte Unicef seinen ersten eigenen Laden an der Trooststraße eröffnen, ehe man 2004 in den heutigen Laden an der Dimbeck umzog. In den 1980er Jahren begannen Kebben und Goertz die Informationsarbeit der örtlichen Unicef-Gruppe aufzubauen. Sie wollten sich nicht länger damit begnügen, auf Adventsmärkten und Basaren Grußkarten zu verkaufen. Sie wollten in Schulen, Kindergärten, Gemeinden und bei Gruppen und Verbänden erklären, was Unicef weltweit leistet. „Das ist doch Zeitverschwendung. Das bringt kein Geld“, bekamen sie anfangs zu hören.
Langzeitwirkung ist wichtig
Doch Anne Kebben und Ingrid Goertz setzen auf die Langzeitwirkung ihrer bewusstseinsbildenden Informationen über die Arbeit von Unicef. Immer wieder haben sie erlebt, wie nach Vorträgen oder Projektwochen in Schulen plötzlich kleinere und größere Spenden bei der Unicef-Gruppe eingingen. Da verkauften Mülheimer Grundschulkinder aus eigener Initiative selbst gesammelte und bemalte Steine. Oder zwei Schüler starteten an ihren Schulen einen Spendenaufruf für die Unicef-Nothilfe im vom Erdbeben heimgesuchten Haiti und brachten so insgesamt 10 000 Euro auf. Auch Benefizkonzerte der Musikschule, der Otto-Pankok-Schul-Big Band oder bei den „Herbstblättern 2010“ waren das Ergebnis einer Netzwerk- und Informationsarbeit.
Kebben und Goertz haben sich 2000 und 2004 in Guatemala und Vietnam ein Bild gemacht, wie Unicef hilft, etwa durch den Bau von Schulen und Wasserleitungen, die Kindern Bildung und sauberes Wasser bringen. „Die Dankbarkeit der Menschen zu sehen und auch ihre Bereitschaft zu erleben, selbst mit anzupacken, um ihr Leben zu verbessern, ist für mich ein Gewinn, von dem ich bis ans Ende meiner Tage zehren werde“, erinnert sich Goertz an ihre Reise nach Guatemala.
Herber Rückschlag
Auch Kebben erlebte in Vietnam, wie mit Hilfe von Unicef Dörfer mit sauberem Wasser versorgt werden konnten. „Alle Projekte laufen jeweils über fünf Jahre und werden von Unicef-Mitarbeitern vor Ort kontrolliert. Unicef trägt jeweils 40 Prozent der Projektkosten. Weitere 40 Prozent müssen die jeweiligen Landesregierungen bezahlen. Und 20 Prozent bringen die Hilfeempfänger vor Ort durch Geld- oder Sach- und Arbeitsleistungen auf“, erklärt Anne Kebben die Arbeitsweise.
2007 erlebten Kebben, Goertz und ihre rund 60 ehrenamtlichen Helfer in der örtlichen Gruppe einen herben Rückschlag, weil Unicef Deutschland durch einen mit 250.000 Euro dotierten Beratervertrag für den Umbau seiner Geschäftsstelle in die Schlagzeilen geriet. „Gott sei Dank haben die Menschen vor Ort zwischen unserem ehrenamtlichen Engagement und dem von hauptamtlichen Mitarbeitern begangenen Fehler unterschieden. Aber bundesweit hat uns das einen Spendenrückgang von etwa 25 Millionen eingebracht“, erinnert sich Ingrid Goertz. Und Anne Kebben gibt zu: „Daran haben wir bis heute zu arbeiten.“ Dass der jährliche Spenden- und Verkaufsumsatz der Unicef-Gruppe in den letzten zehn Jahren von 130.000 auf etwa 90.000 € zurückgegangen ist, führen sie aber nicht auf die Affäre, sondern darauf zurück, „dass die Menschen immer weniger schreiben“.