Mülheim.

Die verschneiten Straßen sind für viele ältere Menschen unpassierbar. Etliche Senioren fühlen sich momentan wie eingesperrt, so der Vorsitzende des Seniorenbeirats. Wenn sie nicht mehr einkaufen gehen könnten, blieben auch die sozialen Kontakte aus.

Leise rieselt der Schnee? Für ältere Menschen ist das „Weißröckchen“ ein Warnsignal in der gefürchteten dunklen Jahreszeit. Regelrecht eingeschneit fühlen sich Senioren und Menschen, die Last haben mit der Mobilität. Wie ist es, wenn der gewohnte Gang zum Bäcker oder zum Supermarkt nicht mehr möglich ist? Helmut Storm, Vorsitzender des Seniorenbeirats und Ge­schäftsführer des Deutschen Roten Kreuzes, kennt viele solcher Fälle: „Wenn der Schnee so liegt wie jetzt, fühlen sich Ältere wie eingesperrt.“

Dabei spielt das Soziale des täglichen Einkaufs häufig eine weitaus größere Rolle als die einfache Versorgung mit Lebensmitteln. „Man kriegt nichts mehr mit“, beschreibt Storm die Situation für Betroffene. Das DRK bietet auch in solchen Fällen „Essen auf Rädern“ an – das übrigens schon seit 50 Jahren. Und hin und wieder werden ebenfalls Einkäufe erledigt. Doch fehlt den Nutzern solcher Dienste eben das nette Gespräch an der Käsetheke und das kurze Hallo auf dem Weg. „Ein Stück Lebensqualität“, sagt Storm.

„Unsere Zivildienstleistenden sind zurzeit mehr unterwegs als üblicherweise“, sagt Brigitte Otto, Leiterin der Ambulanten Diakonie. Sie begleiten Senioren zum Arzt oder zum Supermarkt – das sind augenblicklich 220 Patienten und 40 Menschen, die bei der Hauswirtschaft betreut werden. Eine von ihnen ist Nelli Hörner. Die 83-Jährige bekommt morgens Frühstück, mittags schaut die Nachbarin und abends noch einmal die Pflegeschwestern vorbei, um sie zu untersuchen und ihr Medizin zu geben – „solange es geht, sollen unsere Patienten selbstständig bleiben“, so die Leiterin der Ambulanten Diakonie.

"Ich bin froh, dass ich den Balkon habe"

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Am liebsten aber würde Nelli Hörner raus gehen, „sogar mit dem Rollator“, sagt sie, gegen den sie sich erst gewehrt hat – „den haben doch nur alte Frauen“, meint die 83-Jährige mit einem Lächeln. Heute ist sie aber froh, dass sie ihn hat. Doch bei diesem Wetter, und angesichts ihrer Rückenprobleme, fällt der Weg zum Supermarkt, zum Friedhof, zum Nähkurs im katholischen Bildungswerk oder einfach der Gang in den Hausgarten aus. „Ich bin froh, dass ich den Balkon habe“, freut Nelli Hörner sich auf den Frühling – denn nur geistig mobil zu sein und Kreuzworträtsel zu lösen ist für die 83-Jährige einfach zu wenig. „Ich bin nicht schüchtern und gerne unter Menschen“, sagt die gelernte Bürokauffrau, die als junge Frau lieber beim Bäcker Eichbaum servierte als bei Siemens im Büro zu arbeiten.

Dass während des Winters das Sozialleben von älteren Patienten leidet und ihnen die dunkle Jahreszeit aufs Gemüt schlägt, bestätigt Leiterin Brigitte Otto: „Wem es nicht gut geht, der kann seinen Lebensmut verlieren. Wir rechnen im Winter leider mit mehr Menschen, die versterben.“ Gemeinsam basteln, kochen, den Arzt besuchen oder einfach mal reden – das bieten die so genannten Alltagsassistenten der Paritätischen Initiative für Arbeit (Pia) an. „Wir leisten keinen Pflegedienst“, sagt Leiterin Sabine Dams, „unser Luxus ist einfach ‘Zeit’. In der Regel bekommen sie Menschen zwischen 75 und 80 Jahren ge­schenkt, die alleine leben, arm sind oder deren Kinder berufstätig sind. In diesem Winter haben sich die Besuche ge­häuft, stellt Dams fest: „Für viele sind wir jetzt eine moralische Stütze.“