Mülheim. Wer Frischwasser für die Gartenbewässerung nutzt, muss in Mülheim dennoch Abwassergebühren zahlen. Das sollte die Ratspolitik schleunigst ändern, meint der Bund der Steuerzahler. Die Stadt erklärte, der Vorgang werde geprüft.
Was der Verwaltungsgerichtshof in Baden-Württemberg für unzulässig erklärt, ist in Nordrhein-Westfalen noch lange nicht ausgeschlossen. Diesen Umstand müssen Mülheimer Bürger bei den Abwassergebühren erdulden: Die Stadt hält auch dann ihre Hände auf, wenn verbrauchtes Frischwasser nachweislich nicht in die öffentlichen Abwasserkanäle geflossen, sondern im Garten versickert ist. Der Bund der Steuerzahler NRW fordert die Ratspolitik nun auf, beim Aufstellen der neuen Gebührensatzung für 2010 einzulenken.
Die Sachlage: Wer seinen Garten mit Frischwasser bewässert und diesen Wasserverbrauch mit geeichtem Extra-Zähler misst, kann für sich grundsätzlich geltend machen, entsprechende Wassermenge nicht als Abwasser in das öffentliche Kanalnetz fließen gelassen zu haben. Nur: In der städtischen Gebührensatzung ist festgelegt, dass nicht die komplette Gartenbewässerung gebührenfrei ist. Trotz Nachweises werden Bürgern pauschal 15 Kubikmeter Wasser als Abwasser berechnet. Pro Wohngebäude werden so maximal 31,05 Euro jährlich fällig, ohne dass Abwasser abgeleitet wurde. Auch wenn nicht überall 15 Kubikmeter Wasser in die Gartenbewässerung fließen: Bei mehr als 30 000 Wohngebäuden kommt rein rechnerisch eine Summe von bis zu fast 1 Mio Euro für den Gebührenhaushalt zusammen, ohne dass das Kanalnetz beansprucht wird.
Verband sieht Verstoß gegen "Verursachergerechtigkeit"
„Das sind einfach keine Bagatellen mehr”, kritisiert Harald Schledorn, Gebührenreferent beim Bund der Steuerzahler NRW, die Praxis nicht nur der Stadt Mülheim. 31,05 Euro für eine Abwassermenge zu zahlen, die nie angefallen sei, verstoße gegen das Prinzip der Verursachergerechtigkeit. Schlebusch begrüßt ein Urteil des baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshofes vom 19. März 2009, das einem Gartenbesitzer Recht gegeben hatte: Er darf die zur Gartenbewässerung verwendete Frischwassermenge in voller Höhe absetzen. Die Bagatellgrenze, so das Gericht, verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Die NRW-Verwaltungsgerichtsbarkeit ist diesem Urteil bislang nicht gefolgt (Az. 9 A 3249/07). Es sei nicht praktikabel für Verwaltungen, jeden Kubikmeter Wasser rauszurechnen.
Auf WAZ-Nachfrage erklärte Mülheims Umweltamtsleiter Dr. Jürgen Zentgraf, dass man derzeit prüfe, ob aus dem baden-württembergischen Urteil Konsequenzen zu ziehen seien. Sollte die Stadt einlenken, müsste sie anderswo drehen, um die Gebühren stabil zu halten. Für Gebühren-Experte Schledorn ist dies ohne Weiteres möglich. So zeige die aktuelle Abfrage der Gebührensituation in Mülheim, dass in der Gebührenberechnung ein kalkulatorischer Zins von 7 % stecke. Hier könne der Stadtrat in der aktuellen Niedrigzinsphase getrost eine Absenkung fordern. „Es gibt in Mülheim genug Einsparpotenzial”, so Schledorn.