Mülheim/Oberhausen. .

Ein Gespenst geht um in Mülheim: der Sparkommissar und mit ihm das Bangen um die kommunale Handlungsfähigkeit. Man will ihn um jeden Preis verhindern, dabei will er doch nur sparen.

Ist die Angst vor der Spar-Nanny aus der Luft gegriffen? Denn in keiner Kommune Nordrhein-Westfalens entmachtete bislang ein „Beauftragter“ – so heißt er gemäß Gemeindeordnung §124 – den Stadtrat. Und kann der Sparkommissar, was die Kommunalpolitiker nicht schaffen?

Für Bernhard Elsemann, Stadtkämmerer von Oberhausen, ist er „die schärfste Form des Eingreifens. Der Sparkommissar ersetzt den Rat“. Was jedoch selbst in Oberhausen – trotz klammster Kassen seit über einem Jahrzehnt – bisher nicht geschah. Die erste Haushaltskonsolidierung musste die Nachbarstadt 1986 vorlegen, sechs Jahre später gelang ihr dann ein ausgeglichener Haushalt – zum letzten Mal. 1997 geriet sie in den Nothaushalt. Dort blieb sie bis heute.

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„Jede Investition ist zu genehmigen, jede externe Besetzung in der Verwaltung, jede interne Versetzung“, zählt Elsemann das Ratsleiden unterm Sparhammer auf. Geschlossen habe die Stadt u.a. mehr als die Hälfte aller Bäder, das Musiktheater. Die Sportvereine bewirtschaften nun ihre Plätze selbst, zwar mit Zuschüssen, aber das ist günstiger für den Kassenpegel der Kommune. Kann der Kommissar da noch eine Schippe drauflegen?

Was ist theoretisch und was praktisch machbar

Daran zweifelt der Kämmerer. Düsseldorf müsse bedenken, was theoretisch und was praktisch machbar sei. Die Einnahmenseite sei ausgereizt: Längst habe man eine hohe Gewerbe- und Grundsteuer, Hundesteuer, Sexsteuer. . . Nun laufe auch noch ein Prüfantrag auf eine Übernachtungssteuer für Hotels. „Doch selbst, wenn man alle Mitarbeiter der Stadt entließe“, so Elsemann, „wird man damit die Schuldenfalle nicht schließen.“ Schuld seien u.a. die Einbrüche bei der Gewerbesteuer: In Oberhausen um 28,9 Prozent. Mit 16 % reiße der Soli-Beitrag ein Loch in die Stadtbörse. Anderes Beispiel: Sozialausgaben. In NRW liegen sie bei 300 Euro pro Einwohner, in den sogenannten Memorandumstädten, zu denen auch Oberhausen gehört, bei 450. Das mache 35 Mio Euro aus – die hätte der Kämmerer gern zur Schuldentilgung.

Oberhausen ist zwar ein Härte-, aber kein Einzelfall: Nur 9,1 Prozent aller Gemeinden in NRW haben einen ausgeglichenen Haushalt. Hätte die Spar-Nanny da nicht schon eher Nachhilfe geben müssen? „Es gibt sie in unterschiedlichen Nuancen“, will Johannes Winkel entwarnen. Er ist Leiter der Kommunalabteilung des Innenministeriums, und die stellt den Beauftragten. Eigentlich ist dieser ein externer Berater, so versteht ihn Winkel. Und so tauchte er bisher nur in einem einzigen Fall auf, bei dem eine Stadt mit Zuschuss und freundlichem Nachdruck der Aufsichtsbehörde einen Beratungsvertrag schloss: Waltrop.

Eine Art „Betriebsblindheit“

Wie viel gekränkte Eitelkeit der Stadtpolitik ist da im Spiel? „Es gibt eine Reihe von Städten, die sich freiwillig den Spiegel vorhalten lassen“, sagt Winkel. Nur manche scheinen zu verstehen, dass sie eine Art „Betriebsblindheit“ haben – bei Unternehmen ist externe Beratung hingegen üblicher. Gerade einmal zehn Kommunen machten von einem Beratungsangebot Gebrauch. Dann aber würden nicht selten im kommunalen Vergleich überraschende Einsparpotenziale aufgedeckt: „Wir leben in einer Zeit, in der es keine ,Peanuts’ mehr gibt“, meint Winkel. Man müsse an eingefahrene Arbeitsprozesse ran: „Warum wird etwa die Buchausleihe in der einen Kommune mit elf Euro bezuschusst, in der anderen mit zwei?“

Der Sparkommissar spürt diese Unterschiede zwischen Verwaltungen auf – zunächst freiwillig. Was aber ist mit den Kritikresistenten? „Ich glaube, wenn wir ein Mal einen Beauftragten die Haushaltsbefugnis übernehmen ließen, hätte das abschreckende Wirkung“, so der Leiter. Vielleicht auch eine heilsame? Winkel zögert: „Lieber ist mir der mündige Rat.“