Mülheim. Die Enthüllungen zum „Geheimplan gegen Deutschland“ haben hohe Wellen geschlagen. Was Mülheimer Bürger dazu von einem Experten wissen wollten.
Das Ensemble des Theaters an der Ruhr präsentierte in einer Lesung mit anschließendem Expertengespräch die Correctiv-Recherche „Geheimplan gegen Deutschland“ zum Treffen von Politikern, Neonazis und Unternehmern in Potsdam. Das geheime Treffen im November 2023 wurde dank der Recherche des Essener Medienunternehmens Correctiv enthüllt und die „Remigrationspläne“ des Netzwerks veröffentlicht. Die Recherche schlug hohe Wellen und hat dafür gesorgt, dass auch in Mülheim Tausende auf die Straße gingen und demonstrierten.
Über 120 Besucher warten gespannt im Saal des Theaterfoyers am Raffelberg auf die Lesung. Alexander Weinstock begrüßte das Publikum und erläuterte, was es zu erwarten hat: Einen zweigeteilten Abend mit einer Bühnenfassung von Lolita Lax, Jean Peters und Kay Voges und einem anschließenden Expertengespräch mit dem Politikwissenschaftler und Soziologen Armin Pfahl-Traughber. „Eine angemessene Präsentation der Recherche von Correctiv, die innerhalb von nur einer Woche auf die Beine gestellt wurde“, so Weinstock.
Mülheimer Theaterensemble rüttelt mit seiner Lesung auf
Acht Mitglieder des Ensembles sitzen nebeneinander auf der Bühne und erklären zunächst, was es mit dem „Düsseldorfer Forum“ auf sich hat, einem exklusiven Netzwerk für sogenannte Patrioten. Die hatten im November 2023 in das Landhaus Adlon am Lehnitzsee in Potsdam geladen. Es erstaunt, welche Personen an dem Treffen beteiligt waren. Auf der Liste von 20 bis 30 Teilnehmern standen nicht nur Neonazis, Mitglieder der Werte-Union und der AfD, sondern auch Ärzte und Unternehmer. „Es ist verstörend, aber real“, so das Ensemble über die Themen des geheimen Treffens. Bei der Zusammenkunft sollte ein sogenannter „Masterplan“ vorgestellt werden.
Das Ensemble liest aus der Recherche von Correctiv und schlüpft dazu immer wieder in die Bühnenfiguren einzelner Beteiligter wie Gernot Mörig oder Martin Sellner, die laut der Recherche an dem Treffen beteiligt waren. Hauptanliegen war dort laut Correctiv die Remigration. Um „die Rasse zu bewahren“, soll es eine millionenfache Vertreibung aus Deutschland geben. Auch rechtsextreme Aktionen zu stärken, die linke Szene zu bekämpfen und Einfluss auf Wahlen zu nehmen, stehen auf dem Programm des „Düsseldorfer Forums“.
Verfassungsschutz-Experte beantwortet Fragen der Mülheimer
Nach der Lesung bestätigt der Experte Armin Pfahl-Traughber, der lange Zeit Referatsleiter in der Abteilung Rechtsextremismus im Bundesamt für Verfassungsschutz war und seit 2004 Professor an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung ist, dass diese Enthüllungen für ihn keine Überraschung darstellen. Weil die Recherche aus seiner Sicht vage bleibt und es keine Video- oder Tondokumentation des dort Gesagten gibt, zitiert er an diesem Samstagabend aus Martin Sellners Buch „Regime Change von rechts“, um die Dimensionen zu verdeutlichen. „Die Recherche ist nicht genau genug“, erklärt der Politikwissenschaftler und Soziologe und liefert anhand der Buchauszüge Belege für Sellners Grundtendenz. „Deshalb braucht man eigentlich keine verdeckte Recherche. Es steht alles geschrieben.“
Ein weiterer wichtiger Punkt für Pfahl-Traughber ist, dass man „behutsamer mit Bezeichnungen wie Faschisten oder Neonazis umgehen“ müsse. „Es wird gerne mit alten Begriffen gearbeitet, die inhaltlich nicht mehr angemessen sind“, erklärt er. Rechtsextremismus sei eine Sammelbezeichnung und stehe nicht nur für Neonazis. Die heutigen Rechtsextremisten haben nicht mehr Hitler oder Mussolini als Vorbild, sondern Orbán oder Trump, deren Ziel es sei, die Demokratie abzuschaffen.
Mülheimer beschäftigen sich gedanklich mit dem Geheimtreffen
Auf die Frage, welche Bedeutung die Recherche von Correctiv auf das Verbotsverfahren der AfD habe, antwortet Pfahl-Traughber: „Nur eine geringe Relevanz. Man kann Aussagen nicht pauschal der AfD zuordnen.“ Die Frage wird laut, was überhaupt getan werden kann. „Auf die Straße gehen. Das ist eine wichtige Botschaft. Und die AfD auffordern, sich klar zu positionieren.“
Im Anschluss an das Expertengespräch hat nun das Publikum die Gelegenheit, Fragen zu stellen. Eine Frau ist überrascht, dass keiner sich gewundert habe, dass die AfD bei dem Treffen war, „aber, dass auch Vertreter der Werte-Union anwesend waren, darüber spricht keiner.“ Eine andere Besucherin fragt sich, warum die Menschen so politikverdrossen geworden seien und ein Herr wirft die Frage auf: „Warum fühlen sich so viele Menschen durch die AfD vertreten? Angst? Unmut?“
Mülheimerin erntet Applaus: „Wir sind alles Menschen“
„Ein Demokrat darf keine extremistische Partei wählen“, sagt Experte Armin Pfahl-Traughber noch einmal deutlich und bekommt viel Zustimmung dafür. Einig sind sich alle, dass man mehr Begegnungen schaffen muss. Fremdenfeindlichkeit entstehe bei Menschen, die keinen Kontakt zu anderen haben. Pfahl-Traughber vergleicht es mit einem Baby. „Es gibt eine biologische Bestätigung der Aussage. Ein Baby fremdelt, wenn es das erste Mal jemanden sieht - bis es denjenigen kennengelernt hat.“ In den Worten einer Besucherin, die Applaus bekommt: „Man muss mehr aufeinander zugehen, um Angst abzubauen. Wir sind alles Menschen.“
Nach der offiziellen Fragerunde bleiben viele, um weiter zu diskutieren. Der Abend kam bei den Gästen gut an. Sowohl die Lesung als auch der anschließende Austausch fanden viel Anklang und Zustimmung. „Die Lesung war super. Sehr informativ und gut gemacht. Man müsste sie auf Youtube zeigen, damit sie noch mehr Menschen erreicht“, meint Besucherin Annette Cordes. „Es ist schön, dass viele hier sind und gemeinsam überlegen, wie man damit umgeht“, sagt auch Sebastian Brohn. „Das Problem ist jedoch nicht neu - man kann es nachlesen“, ist er der gleichen Meinung wie der Experte.
Positives Feedback für Mülheimer Lesung mit Expertengespräch
Jörg Heppner ist hier, um Flagge zu zeigen. „Aus der schweigenden Mehrheit herauskommen“, ist ihm wichtig. „Ich wollte mehr über Correctiv erfahren“, erklärt hingegen Besucher Hans. „Interessiert hätte mich, welche Rolle die sozialen Medien und Fake-News spielen.“ Auch Barbara Adamek ist hier, um mehr Informationen zu bekommen. „Es ist gut, dass Herr Pfahl-Traughber erklärt hat, dass heutzutage Orbán und Trump die Vorbilder sind.“
„Wir waren aktiv, wir waren auf Demonstrationen“, ergänzt Iris Spangenberg. „Damit ich objektiv sein kann, wollte ich es genau wissen.“ Ihr hat die Zweiteilung des Abends besonders gut gefallen. „Es ist nicht nur wichtig, auf die Straße zu gehen. Wissen ist wichtig!“
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