Mülheim. Der Leiter von Mülheims neuer Antidiskriminierungsstelle stellt sich vor. Über seine Motivation und die Frage, wo Diskriminierung anfängt.
Wenn Hakan Caliskan gefragt wird, wo er her kommt, antwortet er: „Aus Duisburg.“ Manchen reiche diese Antwort aber nicht aus, sagt er. Sie fragten dann noch einmal: ,Und wo kommen Sie eigentlich her?’ – Ein Fall von Diskriminierung? „Es kommt drauf an“, sagt Caliskan, der im Februar seine Arbeit bei Mülheims neuer Antidiskriminierungsstelle aufgenommen hat. Sein Büro im Rathaus steht seither allen offen, die das Gefühl haben, diskriminiert worden zu sein.
„Da, wo ich das aufrichtige Interesse spüre, würde ich die Frage sogar begrüßen“, sagt Caliskan. Es käme auf den Kontext an. Diskriminierend könne die Frage schnell im beruflichen Kontext werden, etwa bei einer Vorstellungsrunde. Wenn da nachgehakt wird – und das nur bei ihm – dann sei das diskriminierend.„Überall, wo ich das merke, mache ich auch ein Fass auf.“ Denn dieses „eigentlich“ in der Frage signalisiere: „Ich erkenne deine erste Antwort nicht an, du gehörst nicht zu uns.“
Mülheimer Berater: „Da geht man immer in einen harten Konflikt rein“
Das Beispiel zeigt: Nicht jeder Fall von Diskriminierung ist relevant für Strafverfolgungsbehörden. Und: Wo Diskriminierung anfängt, ist nicht immer einfach und klar auszumachen. Für solche Fälle ist die Antidiskriminierungsstelle da. Sie steht Betroffenen beratend zur Seite und zeigt Handlungsoptionen auf. „Hier steht der Mensch im Mittelpunkt“, sagt Caliskan. Als Grundlage dient das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Darin werden sechs Diskriminierungsmerkmale aufgeführt: Alter, Behinderung, Ethnie, Geschlecht, Religion und sexuelle Identität.
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Diskriminierung geschehe leider oft in Machtverhältnissen, so Caliskan. In solchen Fällen gehört es auch zu seinem Job, die Betroffenen vor den Konsequenzen zu warnen: „Da geht man immer in einen harten Konflikt rein.“ Dessen müsse man sich bewusst sein, „wenn man seiner Chefin oder seinem Chef etwas ankreiden will“. Mit anderen Worten: Man sollte besser nicht auf entgegenkommendes Verständnis rechnen.
Die Antidiskriminierungsstelle in Mülheim berät und sensibilisiert
Die neu geschaffene Antidiskriminierungsstelle richtet ihr Angebot aber auch an Firmen, Schulen und Institutionen, die solche Fälle verhüten wollen, die sich für das Thema sensibilisieren wollen. „Braucht es meine Person? Dann mache ich das – auch in kleinen Gruppen“, verspricht der Duisburger. Sein Jobprofil ist anspruchsvoll, ist er doch Berater, Netzwerker und Experte in einer Person.
Vor seinem Stellenantritt in Mülheim hat der studierte Islam- und Religionswissenschaftler fünf Jahre in der Islamismusprävention gearbeitet. „Irgendwann bin ich da rausgewachsen und wollte mehr.“ Seine neue Arbeit sei ihm „quasi in den Schoß gefallen“. Durch Zufall auf die Ausschreibung aufmerksam geworden, habe er sich gerade noch rechtzeitig beworben. In der Stellenbeschreibung fand er sich sofort wieder: „Das waren die Themen, die mich bewegen.“
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Berater hat in seiner Duisburger Schulzeit selbst Diskriminierung erfahren
Als Kind von türkischen Gastarbeitern in Duisburg aufgewachsen, hat Caliskan auch selbst Erfahrungen mit Diskriminierung gemacht. Sich an seine Schulzeit erinnernd, sagt er: „Man hatte sich zu fügen, sonst wurde man schnell und stark ermahnt.“ Man habe ihn – den gebürtigen Duisburger – spüren lassen, dass er fremd sei. Seine Jugend sei „von Unsicherheit geprägt“ gewesen.
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Dann kam 9/11. Danach habe er immer wieder mit „antimuslimischem Rassismus“ zu kämpfen gehabt. Casliskan erinnert sich an reißerische Spiegel-Titel mit kopftuchtragenden Frauen auf dem Heft. Des Öfteren wurde er von Lehrern mit stereotypen Islamvorstellungen konfrontiert und musste als Teenager vor der ganzen Klasse Rede und Antwort stehen: „Als sei ich der Sprecher für den Islam.“ Der 33-Jährige schüttelt den Kopf. „Aus heutiger Sicht klares Fehlverhalten der Lehrperson“, sagt er.
Die Büroeinrichtung verrät manches über den Menschen Hakan Caliskan
Mittlerweile habe sich in Sachen Empowerment zum Glück schon einiges zum Besseren gewendet. Heute gibt es immerhin Anlaufstellen wie die seine im Mülheimer Rathaus. Auf Wunsch trifft sich Caliskan mit Ratsuchenden auch außerhalb seines kleinen Büros. Wer sich dorthin begibt, erhält allerdings einige Aufschlüsse über die Privatperson Hakan Caliskan.
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Was als erstes auffällt: die Actionfiguren – „Anime-Figuren“, verbessert der 33-Jährige sofort –, Figuren aus japanischen Animationsfilmen und -serien also. In seiner Jugend sei er Fan von Animes und Manga-Comics gewesen, aber erst als Erwachsener sei ihm klar geworden, „welche gesellschaftlichen und politischen Themen darin verhandelt werden“.
Und am Wochenende? „Da ist meine Familie der größte Shareholder“, sagt der Vater
In einer Ecke liegt ein Gebetsteppich, in der anderen eine Kugelhantel. Das Beten gehöre für ihn zum Alltag und in seiner Freizeit treibe er allgemein viel Sport, sagt Caliskan: Krafttraining, Schwimmen, Kampfsport. Und am Wochenende? „Da ist meine Familie der größte Shareholder“, sagt der verheiratete Vater einer dreijährigen Tochter.
Alle Informationen zur Antidiskriminierungsstelle der Stadt Mülheim gibt es unter www.muelheim-ruhr.de. Telefonisch ist sie unter 0208 455 1545 zu erreichen.