Mülheim. Anwohner in Mülheim verzweifeln. In ihrer Nachbarschaft ist eine wilde Müllkippe entstanden. Nur: Wer ist für die verlassene Immobilie zuständig?
Es ist ein wilder Anblick, der sich einem an der Ecke Heißener Straße und Schillerstraße bietet. Vor einem in die Jahre gekommenen Mehrfamilienhaus aus den 70ern türmen sich wahllos Abfälle. Bauschutt vermischt sich mit Elektroschrott, zertrümmerte Möbel, Essensreste und ein riesiger alter Fernseher stehen durcheinander. Wer um das Haus herumgeht, entdeckt, dass auch unter den Balkonen neben der Eingangstür Unrat liegt. Ein abgenutzter Stuhl auf herausgerissenem PVC, darunter stapeln sich Pappverpackungen und Müllsäcke. Daneben stehen überquellende Müllcontainer.
„Und das sieht jetzt schon besser aus. Ein Teil des Sperrmülls ist nämlich schon abgeholt worden“, sagt Christa Brucka. Sie gehört zu einer Gruppe von Anwohnern, die seit Monaten versuchen herauszufinden, was in ihrer Nachbarschaft vor sich geht. Schnell wird klar: Die Leute sind Kummer gewohnt. „Als die Mieter im zweiten Stock ausgezogen sind, haben sie die Möbel einfach vom Balkon runtergeworfen“, sagt Nachbar Heinz Barth. „Und dann flog auf einmal ganz viel Pappe durch die Straße. Die hat der Wind überall hingetragen“, ergänzt Christa Brucka und sagt resigniert: „Wenn ich jemandem erzähle, wo ich wohne, heißt es nur noch: Ach, das ist doch da, wo der Müll rumliegt.“
Mieterin des heruntergekommenen Hauses ist die Stadt
Kurzum: Den Anwohnern reicht es. Sie haben sich bereits mehrfach bei verschiedenen Anlaufstellen der Stadt beschwert, darunter dem Stadtteil-Management und dem Ordnungsamt. „Aber Besserungen sind immer nur vorübergehend“, sagt Heinz Barth.
Die Situation ist vertrackt. Seit 2015 ist die Stadt Mülheim Mieterin des 1970 erbauten Hauses. Bislang waren dort Geflüchtete untergebracht. Zum Monatsende läuft der Mietvertrag aus. Und nun wird es interessant. Denn laut Stadt müsste das Haus längst leer stehen. Laut Hausmeister jedoch leben noch drei Menschen dort. „Uns kommt es vor, als würden dort 50 leben“, sagt Christa Brucka, die ein ständiges Kommen und Gehen beobachtet.
Anwohner haben Angst, dass ihre Wohnungen an Wert verlieren
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Besonders wohnlich wirkt das Haus nicht. Die Klingelschilder sind beschädigt, die Lampen zerstört und alle Briefkästen aufgebrochen. „Ich war 2015 oft da, um den Geflüchteten zu helfen. Schon damals war das Haus in einem erbärmlichen Zustand, die Fenster zum Teil undicht“, sagt Nachbarin Angelika Barth. Doch als noch viele Geflüchtete dort wohnten, sei alles in Ordnung gewesen. „Es wurde sich gekümmert“, sagen die Anwohner. In letzter Zeit war eine gewisse Verwahrlosung zu beobachten und der Frust der Anwohner stieg, zumal die meisten von ihnen Eigentümer sind und befürchten, dass ihr Umfeld an Attraktivität verliert. „Der Nachbar gegenüber will seine Wohnung seit Jahren verkaufen, aber es findet sich niemand“, sagt Heinz Barth.
Während er noch spricht, kommt Bewegung in die Szenerie vor dem Haus. Ein Fahrzeug der Mülheimer Entsorgungsgesellschaft (MEG) kommt angefahren, zwei Mitarbeiter steigen aus, inspizieren das Chaos, machen Fotos und schütteln mit den Köpfen. „Alles durcheinander“, sagt die MEG-Mitarbeiterin und macht noch ein Foto.
Müll von allen Seiten – ein Teufelskreis
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„Alles die Anwohner schuld“, sagt der Hausmeister, der dazu kommt. „Die stellen alle ihren Müll bei uns ab. Wenn im Haus nebenan der ambulante Pflegedienst kommt, wirft er die benutzten Windeln einfach bei uns in die Container“, sagt der Hausmeister und geht auch gleich auf die verärgerten Anwohner zu, die ihrerseits davon berichten, dass hier fremde Autos angefahren kommen, die Tür geöffnet und der Müll einfach rausgeworfen wird. „Ich habe hier schon Leute gesehen, die haben mal eben eine Matratze hingeworfen“, sagt Michaela Schulz. Alle sind sich einig, dass es so nicht bleiben kann. Nur wie es so weit kommen konnte, darüber gibt es unterschiedliche Ansichten.
Und genau an diesem Punkt schließt sich der Teufelskreis. Denn weil die Müllcontainer ungesichert vor dem Haus stehen und dort offenbar jeder seinen Unrat abladen kann, kann die MEG die Tonnen nicht mehr leeren. „Da wird einfach alles durcheinander geworfen und fehlbefüllte Tonnen dürfen wir nicht leeren. Dafür muss eine Sonderabfuhr beantragt werden“, sagt Jennifer Ebbers, Sprecherin der MEG. Das Gleiche gilt für die Mülldeponie vor dem Haus. „Das ist alles unsortiert, Bauschutt, Elektroschrott, Hausmüll“, sagt Ebbers. Das größte Problem aber ist: „Wir dürfen kein Privatgelände betreten.“ Der Müll muss an die Straße geräumt oder in Container geschaufelt werden und das ist trotz mehrerer Gespräche bislang nicht geschehen.
Bleibt die große Frage: Was wird ab dem 1. Februar aus dem Haus?
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Und was sagt die Stadt als Mieterin? „Wir haben bereits im Dezember ordentlich aufgeräumt, nachdem wir mitbekommen haben, dass einige Mieter wohl bei ihrem Auszug einfach ihre Sachen vor die Tür gestellt haben. Dass es wieder so schlimm geworden ist, war bislang nicht bekannt. Wir werden aber in den nächsten Tagen noch einmal groß aufräumen. Bis zum 1. Februar ist alles weg“, sagt Stadtsprecherin Tanja Schwarze.
Die Anwohner können nur hoffen, dass das stimmt. „Wir blicken seit Monaten auf Müllberge“, sagt Christa Brucka. Bleibt die Frage, was ab dem 1. Februar aus dem Haus mit Ein-Zimmer-Appartements wird. „Das könnte man schön sanieren für Studenten“, sagt Michaela Schulz. Die Stadt weiß nicht, was aus dem Gebäude wird. Laut Hausmeister gibt es einen neuen Eigentümer. „Ein paar junge Leute aus Berlin“, sagt er.