Schülerin Lena Sophie Neuroth (17) aus Mülheim ist heute Autorin und verrät uns mehr über Emils Schicksal. Warum er Heiligabend allein ist.

Ab sofort erscheint jeden Tag ein neues Kapitel unserer weihnachtlichen Geschichte aus Mülheim. Nur den Auftakt hat die Redaktion vorgegeben. Danach haben Jugendliche der Vereinten Evangelischen Kirchengemeinde in Mülheim, die Spaß am kreativen Schreiben haben, übernommen.

Auf einmal verzieht Emil sein sonst so fröhliches Gesicht. So ernst hat Lena ihn noch nie gesehen. Behutsam legt sie ihre Hand auf seine Schulter. „Wo bist du gerade in Gedanken, Emil?“ Er greift gedankenverloren nach dem Fotoalbum der netten Dame. „Na ja, es ist so, dass…“, beginnt er und er bricht wieder ab.

Während er immer mehr in sich zusammensackt, merkt Lena, wie jung er aussieht. „Wie alt bist du eigentlich?“, rutscht es ihr heraus.
„Zwölfeinhalb“.
Lena stutzt. Dass er jung ist, war Lena klar, aber dass er mit zwölf alleine an Weihnachten unterwegs ist… Puh, das ist eine ganz andere Nummer.

Nie hätte Lena gedacht, dass der dauerfröhliche Junge solch eine Geschichte hat

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„Es ist so…“, beginnt er wieder, „…heute vor drei Jahren ist alles schief gegangen“. Eine Träne kullert über sein Gesicht. „Ich habe ja schon erzählt, dass mein Großvater zu uns ziehen musste. Er war alt und ihm ging es immer schlechter und …“, er schluchzt und Lena streichelt leicht seine Schulter. „Meine Mutter hat Panik bekommen und dann, dann… dann hat sie…“, wieder muss er schluchzen, „sie wollte ihn ins Krankenhaus fahren, aber auf dem Weg…“ Emil bricht in Tränen aus. Er zittert so stark, dass Lena und Charlotte beide einen Arm um ihn legen und so stehen sie da wie ein geschlossener Kreis.

„Was ist auf dem Weg passiert, Emil?“, flüstert Charlotte. „Ein Autounfall. Sie sind beide an Weihnachten vor drei Jahren gestorben.“ Es ist nur noch ein Krächzen, das aus Emil herauskommt. Lena muss nach Luft schnappen. Nie hätte sie bei dem scheinbar dauerfröhlichen Jungen gedacht, dass solch ein Schicksal dahinter steckt. „Scheiße“, rutscht es aus ihr heraus. „Und was ist mit deinem Vater?“
„Mein Papa ist seitdem anders. Er versinkt in seiner Arbeit und ich bin… wie Luft für ihn. An Weihnachten ist es besonders schlimm.“

Nico Klaus hat noch eine versteckte Botschaft an unsere Mülheimer hinterlassen

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Ihm kullern immer noch Tränen herunter und er beginnt mit dem Fotoalbum zu spielen, das immer noch in seinen Händen liegt. Charlotte und Lena tauschen einen besorgten Blick aus und nehmen Emil wieder in den Arm. „Das tut mir so leid, Emil. Wir sind immer für dich da“, sagt Charlotte mit sanfter Stimme und Lena nickt. Endlich schleicht sich wieder ein kleines Lächeln auf Emils Gesicht.

Auf einmal ist ein Schniefen zu hören und die drei schrecken auf. Es kommt von Frau Giebel. „Ich habe meinen Mann letztes Jahr verloren.“ Sie kommt näher und legt ihre faltige Hand über Emils, die noch auf dem Fotoalbum liegt. Dabei fällt das Album hinunter. „Oh nein!“ Lena will es aufheben, als sie bemerkt, dass ein Foto herausgefallen ist. Sie hebt es auf. Es ist das Bild von Nico Klaus und der alten Dame. Und auf der Rückseite steht etwas in goldenen Lettern: „Schätze das, was du hast. Wir sehen uns bald, Lena“.