Ein Stück Mülheimer Tradition: Seit 50 Jahren lädt der Automobil-Club Mülheim im ADAC am zweiten Samstag des Jahres zum festlichen Ball. Doch die Zahl der Gäste sinkt von Jahr zu Jahr.
Winterball – das passte diesmal und sorgte an der Garderobe für reichlich Arbeit. Nicht nur dicke Mäntel, Schals, Handschuhe, Mützen gaben die Ballgäste dort ab, sondern eben auch Schneestiefel und Stulpen. Frau und Mann schlüpften dann in elegante Treter – und hinein ging's ins Ballgetümmel im Ruhrfoyer.
Seit 50 Jahren lädt der Automobil-Club Mülheim im ADAC am zweiten Samstag des Jahres zum festlichen Ball. Für viele ist es das gesellschaftliche Ereignis des Jahres in Mülheim, aber trifft das noch zu? Zu vorgerückter Stunde, als David James, der Joe Cocker-Imitator, mit gewaltiger Stimme die Masse auf die Tanzfläche zieht, gibt sich der Präsident des Automobilclubs, Bernd Fronhoffs, nachdenklich: Hat die Wirtschaftskrise den Ball erreicht? Verlieren Bälle insgesamt an Glanz und Zugkraft? Oder haben viele schlicht die Eröffnung der Kulturhaupstadt auf Zeche Zollverein dem Tanz vorgezogen?
420 Gäste zählt der Präsident, gegenüber dem Vorjahr ein weiterer Rückgang. Nicht denken mag er an die Zeiten, als noch 1000 und mehr Menschen den Winterball aufsuchten. Man rückt als Folge enger zusammen. Nicht mehr auf drei, sondern nur noch auf einer Ebene in der Stadthalle wird gefeiert. Zugleich wurde der Eintrittspreis gesenkt. Auf üppige und teure Show-Einlagen wird verzichtet. Das Musikangebot bleibt vielfältig, auch dank Helge Schneider, der als Überraschungsgast empfangen wird. „Wir kommen an einen kritischen Punkt”, sagt Fronhoffs. Sollte die Besucherzahl eines Tages unter die Marke von 400 sinken, der Club würde es nicht mehr finanzieren können. Schade wär's, sagt Fronhoffs und auch einige Stammgäste ließen durchblicken: „Der Ball ist doch ein Stück Mülheimer Tradition, ein Stück Kultur”.
So denkt man denn im Club auch über eine Verlegung in den Sommer nach: Ballgetümmel im Sonnenschein am Flussufer, einzigartig im Ruhrgebiet. Das, sagt der Vorstand, hätte etwas. Aber zu der Zeit sei halt auch die Konkurrenz an Veranstaltungen groß – so traut man sich nicht so recht, mit der Tradition zu brechen.
Dabei gibt es durchaus Lichtblicke. Noch nie kamen so viele Jüngere zum Winterball: Die Alterspyramide beginnt inzwischen bei knapp über 20. Zeitweise dominierte die Generation der unter 35-Jährigen die Tanzfläche. „Das mag auch am Eintrittspreis liegen, der ist für Jüngere noch tragbar”, meint Fronhoffs, glaubt aber auch, dass sich Vorurteile gegenüber einem Ball verflüchtigen. So gab es reichlich aktuelle Musik aus den Charts zu hören, die Lust am Tanz – vereinzelt gar barfuß – blieb bei vielen bis tief in die Nacht erhalten. Dann ging's zurück zur Garderobe, hinein in die Winterkleidung, Mütze auf, Stiefel an und ab nach Hause durch die schneebedeckte Stadt – mit den Tanzschuhen in der Tüte und dem Gefühl: War doch schön.
Der gute Zweck:
Der Automobil-Club Mülheim verbindet seit Jahrzehnten den Winterball mit einer guten Tat: In diesem Jahr spendet er 3000 € für das Hospiz, das an der Friedrichstraße entsteht, weitere 3000 € erhält der Verein „Für die Mülheimer Kinder e. V.”. 1000 € gehen an das WAZ-Projekt „Jolanthe”, das in diesem Jahr die Schul-Tafel des Diakoniewerks Kultur & Arbeit unterstützt.