Mülheim. Corona führt zu steigenden Zahlen in Mülheimer Selbsthilfegruppen. Bei ihrem Sommerfest informierte die Feldmann-Stiftung über die aktuelle Lage.

Feiern macht Spaß: mit Alkohol – aber genauso ohne. Das zeigte am Samstag das Sommerfest im Park der Feldmann-Stiftung. Unter dem Motto „Es geht auch ohne“ veranstalteten die Feldmann-Stiftung und der Kreuzbund Mülheim gemeinsam mit weiteren Suchtselbsthilfegruppen ein buntes Sommerfest für Familien. Das Besondere dabei: Alkohol, Zigaretten oder andere Drogen sind tabu. „Das Fest transportiert die wichtige Botschaft, dass man auch ohne jegliche Drogen feiern kann“, so Oberbürgermeister Marc Buchholz.

Auf einer Bühne sorgen vier Bands für gute Stimmung, Kinder haben Spaß auf Hüpfburgen und Eltern vergnügen sich an Essens- und Getränkeständen. Und können sich ganz nebenbei an den zahlreichen Infoständen über Selbsthilfegruppen informieren. Genau um diese Kombination aus Spaß und Information gehe es bei dem abstinenten Sommerfest: „Das Fest ermöglicht eine unverfängliche Kontaktaufnahme mit den Gruppen“, erzählt Max Schürmann von der Feldmann-Stiftung. 14 Selbsthilfeorganisationen seien vor Ort, darunter die Guttempler, die Narcotics Anonymous, die Ginko und Beratungsstellen von Caritas und Diakonie. Auf der Getränkekarte finden sich hier statt Bier nur Softdrinks, Wasser und Säfte. Gestört habe das keinen, so Steffi Pink, die fleißig non-alkoholische Getränke über die Theke schiebt. Marc Buchholz findet: „Es sollte zur Normalität werden, auch ohne Alkohol Party machen zu können.“

Für Kinder gab es ein buntes Programm beim Sommerfest.
Für Kinder gab es ein buntes Programm beim Sommerfest. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Selbsthilfe in Mülheim: Alkohol ist eine gesellschaftlich anerkannte Droge

Denn das ist es noch nicht: „Man wird in der Tat immer noch komisch angeguckt, wenn man sagt: ‚Nein danke, ich trinke nicht‘“, weiß Ulrike Nottebohm von der Feldmann-Stiftung. Es erfordere für Betroffene unglaublich Kraft, sich jedes Mal wieder neu erklären zu müssen. Das Problem: Alkohol sei eine gesellschaftlich anerkannte Droge. Andere Drogen werden verpönt – Alkohol nicht. „Heroin kannst du nicht einfach im Supermarkt kaufen“, so Nottebohm. Sie wünscht jedem, dass er den Mut hat, sich einer Selbsthilfegruppe anzuschließen.

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Solche Selbsthilfegruppen vermittelt die Kontaktstelle „Der Paritätische“. Lena Schütter vom Selbsthilfe-Büro der Stadt Mülheim weiß, dass das Thema Suchterkrankung sehr schambehaftet ist: „Viele trauen sich gar nicht, uns anzusprechen.“ Das sei beim abstinenten Sommerfest jedoch anders, das Angebot niederschwelliger: „Hier können Betroffene und Familienangehörige ganz locker mit uns ins Gespräch kommen“, freut sich Schütter. „Viele wissen gar nichts von der Vielfalt an Selbsthilfegruppen.“

Beim Sommerfest der Feldmann-Stiftung trat unter anderem die Band „Styrum Pur“ auf.
Beim Sommerfest der Feldmann-Stiftung trat unter anderem die Band „Styrum Pur“ auf. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Bei diesen gehe es darum, Gemeinschaft zu erleben, Sorgen loszuwerden, Lösungen zu finden – aber auch: gemeinsam Spaß zu haben. Der Paritätische verzeichnet momentan deutlich mehr Anmeldungen bei Selbsthilfegruppen als vor Corona. Die aktuelle Situation mit Krieg und Pandemie belaste viele, der Leidensdruck sei höher. Außerdem: „Durch die Pandemie waren viele isoliert und mit ihren Problemen allein. Diese Situation brachte Leute dazu, mehr zu denken und vermehrt zu der Erkenntnis zu kommen, eine Selbsthilfegruppe könne ihnen helfen“, vermutet Schütter.

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Mischkonsum verschiedener Drogen sei häufigstes Suchtbild in Kliniken

Rainer Heinzerling von den Guttemplern weiß, dass Alkoholsucht und Rauchen die häufigsten Formen von Suchterkrankungen sind. Aber: „Rauchen geht gerade in der jungen Generation zurück.“ Ein weiterer Trend, der ihm aufgefallen ist, jedoch nur schwer messbar sei: „Der Mischkonsum verschiedener Drogen kommt immer häufiger vor.“ Denn während früher häufig nur eine Droge zur Sucht geführt habe, sei heute vermehrt Mischkonsum das gängige Bild in Kliniken. Heinzerling findet das abstinente Sommerfest eine tolle Aktion, um solchen Suchterkrankungen vorzubeugen: „Hier werden auf familienfreundliche Art Infos präsentiert und Möglichkeiten zur Hilfe aufgezeigt.“

Das findet auch Besucherin Annette, die mit ihrer Tochter und deren Patenkind den Park besucht. „Hier wird den Kindern mal vorgelebt, dass Erwachsene auch ohne Alkohol können.“