Mülheim. . Marie Schulze erkrankte früh an Depressionen. Nun gründet sie eine Selbsthilfegruppe. Die oft belächelte Krankheit ist häufig auch eine tödliche.
Wenn Marie Schulze so da sitzt und erzählt, und man nicht den Worten lauscht, die sie spricht, sondern sie nur anschaut: Was ist das für eine positive Frau, so voller Lebenslust! Die Marie Schulze, die da vor einem sitzt, so gerade und lachend, zu Beginn dieses neuen Jahres, der mag man eigentlich gar nicht glauben, dass sie erzählt, wie schwer ihr Leben eigentlich war und es in einigen wenigen, sehr kleinen, aber ihr doch sehr präsenten Momenten immer noch ist. Marie Schulze ist an Depressionen erkrankt, sie hat zwei Suizidversuche überlebt und nach all den Jahren Leiden geht sie einen großen Schritt: Sie gründet eine Selbsthilfegruppe.
„Sag Ja zu Dir“ ist der Titel, der Aufforderung, Mutmachen und Motivation zugleich bedeutet. Hilfe zur Selbsthilfe soll die neue Gruppe geben, ganz klassisch, bei Depressionen und Ängsten. Das Ziel: „Mit Betroffenen gemeinsam den eigenen Weg finden, um selbstbestimmt den Alltag zu meistern“ – so steht es in dem Flyer, der über die neue Gruppe informieren soll.
Eine Depression kommt nicht gut an
„Ich habe mich für das Leben entschieden“, sagt Marie Schulze heute, die auch wirklich so heißt, die sich nun nicht mehr verstecken will. „Ich habe es bewusst vermieden, mit jemandem über meine Krankheit zu reden. In der Gesellschaft ist eine Depression noch immer verpönt und etwas, das nicht so gut ankommt“, sagt Marie Schulze auch, wenn sie sich an vergangene Zeiten erinnert.
Und diese Gedanken, sie gelten heute und sie galten vor vielen vielen Jahren, als Marie Schulze erkrankte. „Schon im Kindesalter“ habe sie das erste Mal eine Ahnung von Depression gehabt. Nach liebevollen ersten Jahren bei den Großeltern kam sie irgendwann zurück in eine familiäre Situation, die sie heute, im Alter von 61 Jahren, als „hartes Leben“ beschreibt. Früh wagte sie die Flucht in die eigene Familie, heiratete, bekam ein Kind. „Dabei war ich ja selber noch gar nicht fertig.“ Totale Überforderung, nicht großes Glück, das war es für die Mülheimerin.
Depression ist eine tödliche Erkrankung
Kein Mensch, der es nicht selbst versucht hat, kann nachvollziehen, wie es ist, wenn man sich das Leben nehmen will. Wenn man so tief in der Depression steckt, dass es keinen, aber wirklich keinen Ausweg mehr zu geben scheint. „Weil ich es nicht mehr aushalten konnte“, antwortet Marie Schulze mit ganz einfacher Formel auf die Frage nach einem komplizierten Warum. Anke van den Bosch, Fachberaterin bei der Selbsthilfe-Kontaktstelle Der Paritätische in Mülheim, weiß: „Depression ist eine tödliche Erkrankung, leider viel zu oft noch belächelt und unterschätzt.“
Die Selbsthilfe-Kontaktstelle war und ist für Marie Schulze ein wichtiger Partner, eine wichtige Stütze – „wir sind Begleitung, wenn das gewünscht ist, und wollen auch ganz konkrete Strukturschritte mit an die Hand geben“, erklärt Anke van den Bosch. Von der ersten Idee, der ersten Anregung einer Freundin, bis hin zum fertigen Konzept dauerte es bei Marie Schulze nur wenige Monate, das ging alles ganz schnell. „Ich habe gut darüber nachgedacht“, sagt Marie Schulze, die neue Gruppenleiterin. Und: „Das ist mein Baby, das schaffe ich schon.“
Ein Bild im Kopf, das ließ sie nicht los
Nichts ist in diesem Moment mehr zu spüren von einer Krankheit, die ihr vor fünf Jahren einen Rückfall bescherte, nach einer Langzeittherapie, nach dem Gefühl, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Da war es plötzlich wieder, alles. Ein Bild im Kopf, das ließ sie nicht los, das hat sie richtig geschockt. Und schon fiel sie zurück in die Arme der alten doch so sehr Bekannten Depression.
Heute wieder fest im Leben
Heute, da steht sie wieder fest im Leben, gerade, lachend, eben. „Ich habe es ganz anders in die Hand genommen“, geholfen hat ihr dabei auch das Malen, „das ist für mich wie Therapie.“ Die Gruppe mit dem bejahenden Titel, das ist auch so eine Art Therapie. Es ist ein Ort, an dem lösungsorientiert und im Miteinander gearbeitet wird. Allerdings: „In einer sehr akuten Phase ist eine Selbsthilfegruppe nicht das richtige Mittel“, mahnt Anke van den Bosch. Dennoch kann es unheimlich Auftrieb geben, ein „Teil von einem sich selbst unterstützenden Team zu sein“, fügt van den Bosch hinzu.
Die Selbsthilfegruppe trifft sich zum ersten Mal am Freitag, 1. Februar, in der Zeit von 17.30 Uhr bis 19.30 Uhr. Marie Schulze wird bestimmt aufgeregt sein. Und eines ganz bestimmt mit in diese neue Gruppe tragen, voller Zuversicht und positivem Denken: ein großes Ja zu sich selbst.
>>> TREFFPUNKT UND KONTAKT
Die Selbsthilfegruppe „Sag Ja zu Dir“ trifft sich immer freitags, Treffpunkt ist ein Raum in der Backsteinschule des Evangelischen Krankenhauses Mülheim, an der Kettwiger Straße 66. Alle Interessierten können sich melden bei Marie Schulze unter 0179/2689757.
In Mülheim gibt es nunmehr insgesamt acht Selbsthilfegruppen, die sich mit der Krankheit Depression beschäftigen. Einen Überblick über diese und viele weitere Angebote in der Stadt bietet der Selbsthilfe-Wegweiser des Paritätischen. Er ist kostenlos erhältlich.