Mülheim. Vallourec-Arbeitsdirektor Herbert Schaaf hat sich zur Schließung der Werke in Mülheim und Düsseldorf geäußert. Streiks hält er für unangemessen.
Noch bevor das Management sich am Freitag der 2400 Mitarbeiter starken Belegschaft stellen wird, äußerte sich der Arbeitsdirektor von Vallourec Deutschland, Herbert Schaaff, am Donnerstag zum Beschluss der Konzernspitze des französischen Stahlrohr-Produzenten, bis Ende 2023 die deutschen Werke in Mülheim-Dümpten und Düsseldorf-Rath zu schließen.
Als gelernter Ökonom mit zehn Jahren Erfahrung im Betrieb müsse auch er als Personalverantwortlicher feststellen, dass die Werksschließungen am Ende „aus ökonomischer Sicht unausweichlich sind. Ich hätte die Entscheidung auch so getroffen“, sagte Schaaff am Ende einer halbstündigen digitalen Fragerunde mit Medienvertretern.
Vallourec-Arbeitsdirektor: Übernahme-Angebote „relativ dünn, schwach, enttäuschend“
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Enttäuschung verspüre er natürlich, „weil man lange gekämpft hat“, doch die Entscheidung des Verwaltungsrates des Vallourec-Konzerns von Mittwochmorgen sei getragen von der Erkenntnis, dass a) die drei Übernahme-Angebote von Finanzinvestoren „relativ dünn, schwach, enttäuschend“ gewesen seien und b) Fortführungskonzepte für einen Verbleib der deutschen Produktion bei Vallourec sich als „wirtschaftlich nicht tragfähig“ erwiesen hätten.
Mit den Fortführungskonzepten, die eine Spezialisierung der deutschen Werke auf die Rohrproduktion für den „Nischenmarkt“ der erneuerbaren Energien vorgesehen hatten und einen Abbau von rund einem Drittel der 2400 Arbeitsplätze, hätte es laut Schaaff vier bis fünf Jahre gedauert, um aus der Verlustzone herauszukommen.
Schaaff: Weitere Jahre mit Verlusten wären für Konzern nicht tragbar gewesen
Große Gewinne, die etwa auch nötige Investitionen in den Werken gegenfinanzieren hätten können, seien auch nach dieser Zeit nicht zu erwarten gewesen. Schaaff machte deutlich, dass der Vallourec-Konzern, der sich insgesamt weiter „in schwieriger Lage“ befinde, diese Zeit offenbar nicht überbrücken könnte, ohne selbst massiv unter Druck zu geraten. „In Deutschland wird ein Stück weit vergessen, dass ein weiter verlustträchtiges Geschäft langfristig den gesamten Konzern gefährdet hätte.“
Auf die Übernahme-Angeboten wollte der Personal-Geschäftsführer nicht detaillierter eingehen. Aus informierten Kreisen heißt es, die Finanzinvestoren hätten mitunter dreistellige Millionensummen aufgerufen, die sie von Vallourec für eine Übernahme der Betriebe und Grundstücke hätten haben wollen. Offenbar geht der Konzern davon aus, die Abwicklung unter eigener Regie kostengünstiger stemmen zu können.
Schaaff kündigte an, dass das Unternehmen derzeit dabei sein, einen konkreten Stilllegungsplan für die zwei Werkstandorte mit ihren drei Produktionsstätten zu erarbeiten. Dies sei als Basis notwendig, um mit der Arbeitnehmerseite in Verhandlungen zu einem Interessenausgleich einsteigen zu können. Dabei machte der Personal-Geschäftsführer deutlich, dass die Beschäftigungssituation in den Produktionsstätten aktuell unterschiedlich sei.
Vallourec arbeitet an einem Zeitplan für die stückweise Stilllegung
Für das Werk in Mülheim wertete er sie für 2022 als „gut“, für die Betriebe in Düsseldorf schlechter. Daraus aber zu schließen, dass es in Mülheim erst zu späteren Zeitpunkten zu Stilllegungen kommen werde, sei „naiv“. Das hänge auch davon ab, wie Kunden nun auf die Schließungsankündigung reagierten, wie sich die Auftragslage entwickele. Zudem seien, um die Rohr-Produktion für Öl- und Gasfelder komplett aus Europa nach Brasilien zu verlagern, in Südamerika weitere Investitionen nötig. Strategische Entscheidung der Vallourec-Führung ist, sich komplett auf den Öl- und Gasmarkt zu fokussieren. Alle weiteren Geschäftsfelder, etwa die für Energiewende-Techniken, werden laut Schaaff aufgegeben.
Gewerkschaft IG Metall und Betriebsräte mahnte Schaaff derweil, in der ausgerufenen Auseinandersetzung um einen Sozialtarifvertrag nicht zu Streiks aufzurufen. Vallourec sei bereit, zur Sicherung der Produktion in den nächsten eineinhalb Jahren auf die Forderung der Arbeitnehmerseite nach „Motivationsprämien“ einzugehen; offen sei nur die Höhe der Zahlungen. Schaaff nennt sie „Anerkennungsprämien“, die sicherstellen sollen, dass die Produktion in gewohnter Qualität weiterläuft. Streiks und Prämien passten nicht zusammen, so der Arbeitsdirektor.
Erste Gespräche zu Abfindungen und Co. für Ende Mai, Anfang Juni terminiert
Vallourec habe bereits am Donnerstagmorgen gegenüber Gewerkschaft und Betriebsräten seine Bereitschaft zu Verhandlungen über einen Sozialtarifvertrag oder alternativ einen Interessenausgleich samt Sozialplan erklärt. Erste Termine seien für Ende Mai, Anfang Juni anberaumt. Den umfangreichen Forderungskatalog der Tarifkommission der Arbeitnehmerseite wollte Schaaff nicht kommentieren, wiederholte aber Aussagen vom Vortag, dass der Konzern eine faire Lösung für die Mitarbeiter (750 davon sind in Mülheim tätig) anstrebe.
„Die Renten sind sicher“, bediente sich Schaaff mit Blick auf die Betriebsrenten einer Aussage des ehemaligen Bundesarbeitsministers Norbert Blüm. Selbstverständlich werde man die Betriebsrenten absichern, sagte Schaaff zu der Forderung der Tarifkommission, den Fonds dafür auf eine halbe Milliarde Euro aufzustocken. Dies gelte es nun für eine Zeit von 50 bis 70 Jahren zu organisieren.
Arbeitsdirektor sieht keine schlechten Chancen für Mitarbeiter, neue Jobs zu finden
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Für die Forderung der Tarifkommission nach Gründung einer Transfergesellschaft, um die Beschäftigten den beruflichen Neustart zu erleichtern, zeigt sich Schaaff offen, formuliert dies aber zurückhaltend: Es sei noch darüber zu diskutieren, „wie und für wen das sinnvoll“ sei.
Insgesamt sehe er für die Mitarbeiter – darunter zu 85 Prozent mit Facharbeiter- oder Ingenieurs-Qualifikation – gute Chancen, nach der Zeit bei Vallourec wieder Fuß zu fassen am Arbeitsmarkt. Insbesondere in Düsseldorf seien die Voraussetzungen am Arbeitsmarkt gut. Es gebe erste interessante Anfragen anderer Unternehmen, doch aktuell brauche man das Personal noch selbst.
Könnte eine Insolvenz die Lage für Mitarbeiter noch schwieriger machen?
Könnte Vallourec sich seiner Verpflichtungen gegenüber den Beschäftigten, die dem Unternehmen im Schnitt 21 Jahre lang schon die Treue halten, durch eine Insolvenz-Anzeige entledigen? „Eine Insolvenz ist nie auszuschließen“, sagte Schaaff auf Nachfrage dieser Redaktion. Er halte dies „im Moment“ aber für „unmöglich“, dass die Finanzstrukturen im Konzern derart geregelt seien, dass der französische Konzern die Verluste seiner deutschen Tochtergesellschaft ausgleiche.
Vorstand stellt sich erst am Freitag der Belegschaft
Vallourec weist für seine deutschen Werke eine Mitarbeiterzahl von 2400 aus. Darunter sind laut Arbeitsdirektor Herbert Schaaff 2200 fest und 65 befristet angestellte sowie rund 100 Auszubildende. Zudem gebe es eine kleine Zahl ruhender Arbeitsverhältnisse.
Erst am Freitag stellt sich das Vallourec-Management der Belegschaft. Die Mitarbeiter sind für 10 Uhr zu einer Mitarbeiterversammlung im PSD Bank Dome in Düsseldorf eingeladen. Dort will der Vorstandsvorsitzende des Konzerns, Philippe Guillemot, informieren und sich Fragen aus der Belegschaft stellen.
Die Veranstaltung ist nicht öffentlich. Es gelten offenbar erhöhte Sicherheitsvorkehrungen. So heißt es: „Es dürfen keine Taschen mit in den Veranstaltungsraum genommen werden.“