Mülheim. Im Vorjahr halfen Mitglieder zweier Mülheimer Vereine im Hochwasser-Katastrophengebiet des Ahrtals. Was sie nun noch für die Region tun wollen.

Corona und die aktuellen Geschehnisse in der Ukraine haben dafür gesorgt, dass eine Katastrophe in Deutschland ein Stück weit in Vergessenheit geraten ist. Bei den Mitgliedern des Mülheimer Kanusportvereins und der Mülheimer Rudergesellschaft ist das anders. Sie waren bis in den November hinein im Hochwassergebiet im Einsatz. Bald läuft die Hilfe im Ahrtal wieder an.

Eingestürzte Brücken, weggerissene Tunnelanlagen, verstopfte Zuwege – als die Mülheimer im vergangenen Sommer erstmals im Ahrtal ankamen, war der Eindruck verheerend. „Es war noch viel, viel schlimmer, als man es sich vorgestellt hat oder aus dem Fernsehen kannte“, berichtet Johanna Schimanski. Selbst im ersten Stock stand ihr das Wasser fast bis zum Kinn.

Erster Eindruck der Mülheimer vor Ort: „Es war wie in einer anderen Welt“

„Wir waren relativ schockiert, wie es dort aussah“, ergänzt Simon Florian. „Die staubige, ölige, verpestete Luft, neben dir fuhren Panzer vorbei – es war wie in einer anderen Welt.“

Unter anderem mit einem Kleinbus der Mülheimer Rudergesellschaft fuhren die fleißigen Helferinnen und Helfer im vergangenen Sommer in die Hochwasserregion.
Unter anderem mit einem Kleinbus der Mülheimer Rudergesellschaft fuhren die fleißigen Helferinnen und Helfer im vergangenen Sommer in die Hochwasserregion. © MKV | Florian

Florian war im Vorstand des Kanuvereins so etwas wie der Motor der Aktion. Schnell schlossen sich Mitglieder der benachbarten Rudergesellschaft und die Firma Migosens an. Neben acht bis zehn Organisatoren packten in der Spitze über 25 Mülheimerinnen und Mülheimer an der Ahr an.

Feste Organisationsstruktur sorgte für gezielte Hochwasser-Hilfe im Ahrtal

Schnell wurde eine feste Organisationsstruktur geschaffen, so dass gezielte Hilfe möglich war. „Wir wollten nicht einfach runterfahren und alle mit einer Schaufel dastehen“, erklärt Florian. Stattdessen waren die Mülheimer mit den Behörden vor Ort in Kontakt, um den konkreten Bedarf abzufragen. „So wussten wir genau, was zu tun ist, und konnten bei Firmen nach konkreten Materialien oder Hilfsmitteln fragen“, sagt Jürgen Thöne.

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MKV und Co. verzichteten auch auf das Gießkannenprinzip und versuchten erst gar nicht, überall gleichzeitig zu helfen. Stattdessen wurde Haus für Haus komplett entkernt. „Durch die schnelle Hilfe hatten viele Häuser eine Chance, ihre Feuchtigkeit wieder abzugeben“, erklärt Reiner Barzel.

Mülheimer Helfer bewegen alteingesessenen Winzer zum Weitermachen

Wo sich Helfer melden können

Auch in diesem Jahr werden wieder viele fleißige Helferinnen und Helfer gesucht. Nachdem im vergangenen Jahr auch schweres Gerät bedient werden musste, sind diesmal unter anderem auch Kenntnisse im Gartenbau von Vorteil.

Wer helfen will, kann sich per Mail an die Organisatoren wenden (wir-helfen@outlook.de) oder sich telefonisch bei Simon Florian melden (0178 470 54 95). Alle nötigen Informationen gibt es auch auf der Instagram-Seite „hochwasserhilfe_muelheim“. Dort gibt es auch den Zugang zu der Whatsapp-Gruppe.

Traurig mussten die fleißigen Helfer am Ende mitansehen, wie eines der allerersten Häuser am Ende doch abgerissen werden musste. Aber es gab auch Lichtblicke: Der älteste Winzer von Dernau wollte seinen Betrieb schon aufgeben. „Wir haben sein komplettes Equipment mit Hochdruckreinigern gesäubert und ihn am Ende davon überzeugt, das Geschäft weiterzuführen“, berichtet Gerd Kampf, der in der Krisenregion „phasenweise gewohnt“ hat.

Nach einer kurzen Winterpause läuft die nächste Hilfswelle aktuell wieder an. „Die Region ist nach wie vor eine riesige Baustelle“, sagt Reiner Barzel. Viele Orte seien zu Geisterstädten geworden. Johanna Schimanski spricht von einem „ganzen Gebiet im Rohbau“.

Im April starten die ersten Hilfseinsätze der Mülheimer in diesem Jahr

Die Arbeiten seien nun ganz andere als im vergangenen Jahr. Die Helferinnen und Helfer wollen sich nun vor allem um die zerstörten Gärten und Vorgärten kümmern. Die bekannte Struktur soll dabei beibehalten werden. Heißt: Seit diesem Wochenende läuft die Bedarfsermittlung. Was ist notwendig? Was wird gebraucht? „Wir wollen nicht einfach ein paar Blümchen vorbeibringen, sondern langfristig helfen“, bringt es Jürgen Thöne auf den Punkt.

Stattdessen soll kontaminierter Boden ausgewechselt werden, sollen Zäune gesetzt und Wege neu gebaut werden. Um die Aufträge zu bedienen, sollen auch Landschaftsbauer oder Blumengroßhändler mit ins Boot geholt werden. Noch in diesem Monat wollen sich Reiner Barzel und Gerd Kampf einen ersten Eindruck vor Ort verschaffen. Die ersten Hilfseinsätze sind für Anfang April angedacht.