Mülheim. Notärztin Dr. Carola Holzner las am Mülheimer Flughafen aus ihrem Buch, das ihren Berufsalltag beschreibt. Geschichten zum Lachen und zum Weinen.

Carola Holzner ist eine sympathische, sehr umgängliche Frau, die gerne lacht. Das kommt im persönlichen Gespräch schnell zum Ausdruck, wenn sie sich kurz entschuldigt, um wieder eine „ehemalige Kollegin“ herzlichst zu begrüßen. Inklusive Umarmung, was am Luftschiffhangar möglich ist, weil alle 300 Gäste den 2G plus Maßgaben entsprechen müssen und zusätzlich einen aktuellen Test absolviert haben.

Vorzüglich organisiert, alle sind zufrieden und gespannt auf die quirlige Ärztin. Schnell redet sie, diese als Doc Caro in den Medien berühmt gewordene Mülheimerin, die einen unfassbaren Frohsinn verbreitet, schlagfertig und humorvoll ist und ständig einen Witz auf den Lippen hat. Von ihr stammt die treffende Wortneuschöpfung „mütend“ während der heißesten Phase von Covid-19.

Die Ärztin will den Menschen die Medizin nahe bringen, sie hinter die Kulissen blicken lassen. „Ich wünsche mir mehr Verständnis für uns alle“, führt sie aus und meint wirklich alle Menschen, insbesondere aber medizinisches Personal, Kranke und deren Angehörige. Und alles bitteschön immer mit Humor. „Bei mir lachen die Patienten immer. Das setzt Glückshormone frei, und das ist gesund.“

Emotionale und kontrastreiche Geschichten aus dem Alltag und beim Notfalleinsatz

So überschwänglich, herzlich und extrovertiert Carola Holzner sich im persönlichen Gespräch zeigt, so ist sie auch auf der Bühne. Im mal witzigen, mal einfühlsamen Gespräch mit Doc Caro moderiert Insa Löll von Radio Mülheim den gesamten Abend, leitet zu den kontrastreichen Episoden aus Holzners Buch („Eine für alle: Als Notärztin zwischen Hoffnung und Wirklichkeit“) über. Schnell zeigt sich, dass im Hangar viele Gäste sitzen, die das Buch bereits kennen. Sie zücken bereits die Taschentücher, als der Name „Frau Berger“ fällt – noch vor einer diesbezüglichen Warnung von der Autorin. Mit Tränen in der Stimme eröffnet sie den Abend mit der emotionalen Geschichte über diese wundervolle ältere Dame, die noch im Tod Hoffnung, Lebensfreude und Zuversicht verbreiten kann. Ein Glas Sekt im Plastikbecher wird für keinen Zuhörer je wieder dasselbe sein.

Holzners ehemalige Arbeitskolleginnen vom Essener Universitätsklinikum kennen die Realität und bestätigen: „Alles stimmt zu 100 Prozent!“– „Komplett authentisch.“ Die erfrischende Ungezwungenheit und Offenheit, mit der Dr. Holzner aus ihrem Berufsleben erzählt, steht in wohltuendem Kontrast zum veralteten Klischee der Ärzte als „Götter in Weiß“. Ob das alles wirklich so passiert, wenn Doc Caro Dienst hat? Die ehemaligen Kolleginnen lachen und nicken sofort: „Es passt! Das ist wirklich immer so mit Caro.“

Die Gratwanderung zwischen ernst und komisch gelingt bei der Lesung

Die Storys stammen direkt aus Holzners Leben, von der Notaufnahme und von Einsätzen im Rettungswagen (RTW) mit der Feuerwehr. „Wir kommen ja immer uneingeladen“, führt Holzner aus, bevor sie von olfaktorischen Belästigungen vorliest, von Katzen und Kindern, die gemeinsam vom verdreckten Fußboden essen. Exkremente sind allgegenwärtig im RTW-Alltag. Dazu gehört auch ein gewisses kriminalistisches Geschick, in Windeseile das Wohnumfeld zu scannen, um Hinweise darauf zu entdecken, wie es zu dieser Notfallsituation hat kommen können.

Die Gagen des Abends für die Ukraine

Der Krieg in der Ukraine geht Carola Holzner sehr zu Herzen, und so lautete das Motto des Abends: „Ich lese für den Frieden.“ Sie verzichtet auf ihre Gage, ließ das Handy während der Lesung an und übertrug live auf Instagram, wo Doc Caro einen Spendenaufruf für ein Hilfsprojekt in der Ukraine gestartet hat. Der Erlös: 3200 Euro.Veranstalter WDL, Veranstaltungstechniker Aventem aus Hilden sowie die Moderatorin Insa Löll und das DRK-Testzentrum verzichten ebenfalls auf ihre Gelder, sodass zusammen mit der Sparkasse ein Scheck in Höhe von 5000 Euro an Doc Caro überreicht werden konnte. Die eine Hälfte wird an die Aktion „Deutschland hilft“ für ein Hilfsprojekt in der Ukraine überwiesen, die andere Hälfte geht an die „Nothilfe Ukraine“ des DRK-Dachverbands.Eine Herzensangelegenheit ist für Dr. Holzner das Thema Wiederbelebung. Sie ist Mitgründerin der Initiative „Wir beleben Deutschland wieder“, die über eine Petition bundesweit die verpflichtende Einführung von Wiederbelebungsunterricht in Schulen fordert.

Was bisweilen auch lustig werden kann, wenn zum Beispiel ein selig schlafender 70-Jähriger von der Notärztin Holzner unsanft geweckt wird, weil die besorgte Ehefrau ihn tot wähnte. Die ausführliche Beschreibung des Schlafgemachs und der Kleidung ist urkomisch, ohne dass Holzner sich lustig machen würde. Diese Gratwanderung gelingt ihr erstaunlich gut. Sie schafft es beredt, treffende Bilder zu zeichnen, am stärksten wohl von sich selbst, wenn sie völlig verzweifelt über das Ende eines 17-jährigen Drogentoten mit einem toxikologischen Befund vor den Augen ihrer Kinder im Grundschulalter herum wedelt aus Panik, denen könnte dasselbe passieren.

Von lustigen Momenten und tragischen Schicksalen – ein Wechselbad der Gefühle

Dass ihr wenig später ein Verfahren wegen Behandlungsfehler droht, gehört zum Job. Trotz dieses Wechselbades der Gefühle, von tiefster Dramatik und eindringlichen Emotionen, von lustigen Momenten und tragischen Schicksalen, gelingt es Carola Holzner, die Hoffnung immer wieder hochzuhalten – vor allem, indem sie lacht. Das Publikum lacht gerne mit, häufig schon im Vorfeld, wenn eine Geschichte angekündigt wird.

Wie etwa der „Spieleabend“, bei dem Kenner bereits die weißen Kacheln und den schwarzen Latex vor sich sehen, bestürzt lächeln, die Lippen verschämt aufeinanderpressen, sich amüsieren und insgeheim womöglich hoffen, dass ihnen Ähnliches bitte nie passieren wird. Eine Hoffnung aber verbindet wohl alle, die Doc Caro erlebt haben: Beim eigenen Notfall bitte von solch einer vitalen, lebenslustigen und kompetenten Ärztin behandelt zu werden.