Essen. Der Wutausbruch der Notärztin Carola Holzner wegen Corona ging viral. Sie spricht „von einem Schlag“ ins Gesicht für mehrere Berufe.
Lavendel. Darüber hat sich Doc Caro am meisten aufgeregt. Ein Lavendelstrauch vom Land Rheinland-Pfalz für ein Krankenhaus, als Dank für den Einsatz gegen Corona. Das ist, sagt die Leitende Oberärztin der Uniklinik Essen, wie die Kekse, wie die Schokolade, wie der Applaus, der längst verstummt ist, und wie der Bonus, den es nicht für alle gibt: „Ein Schlag ins Gesicht.“
Dr. Carola Holzner hat also mal wieder einen rausgehauen. Als „Doc Caro“ macht sie das häufiger; mindestens Diagnosen-dienstags, manchmal auch Sanitäter-samstags postet sie ihre Meinung und erzählt von ihrem Job. Auf Facebook und Instagram folgen der Notärztin aus Mülheim mehr als 100.000 Menschen. Aber zuletzt hatte sie nicht viel Zeit dazu: Corona-Krise im Krankenhaus.
„In Vollausrüstung Corona-Patienten versorgen und dann kein Klopapier“
„Morgens in Vollausrüstung Corona-Patienten versorgen, und abends kein Klopapier mehr im Supermarkt“, so war der Alltag in den ersten Wochen, aber das Team der Zentralen Notaufnahme hat dann doch dieses Foto gemacht: „Wir bleiben für euch da und ihr bitte zuhause!“ Dazu schrieb sie bei Facebook die Zeile: „Wir haben KEINE ️Corona-Ferien,️ wir haben Notstand!!“ Dafür gab es keine Lavendel, aber Applaus und auch noch Kritik: Die Ärzte hätten wohl Langeweile?
Sowas kontert Holzner noch locker, aber nun war es genug: die Demonstranten in Berlin, die infizierten Reise-Rückkehrer, die Maskenmuffel, und dann dieser Brief von Gesundheitsminister Jens Spahn an das Rote Kreuz, in dem er über den Rettungsdienst sagte, der habe doch weniger Einsätze, also keinen Anspruch auf einen Bonus. „Ein Schlag ins Gesicht“, sagt Doc Caro, jede einzelne Nachricht. „Danke für nichts“, schrieb sie ins Internet.
„Aus Idealismus. Aus Liebe. Aus Überzeugung. Aus Leidenschaft“
Mehr als drei Millionen Menschen hat sie damit erreicht, 45.000 haben den Beitrag bislang geteilt, ihr mit Abstand stärkster Post überhaupt. „Die Leute sind einfach sauer.“ In mehr als 2000 Kommentaren steht Zustimmung, die meisten fordern, was auch Carola Holzner will: „Respekt und Anerkennung. Und Corona-Bonus. Und zwar für alle. Besonders für die Pflege, den Rettungsdienst, die Polizei.“ Denn die hätten sich dem Virus ausgesetzt. Berufsbedingt, ja, Aber vor allem: „Aus Idealismus. Aus Liebe. Aus Überzeugung. Aus Leidenschaft.“
So ist es ja auch für die Ärzte, findet die zweifache Mutter, aber Ärzte kriegen „sowieso mal gar nichts“, so steht es im Post. „Unser Beruf ist schlichtweg Berufung“ und eine Ansteckung, sagt sie, „Berufsrisiko“. Die Mediziner wüssten schließlich, „dass keine Berufsgruppe so viel Kontakt mit Infizierten“ hat wie das Personal im Gesundheitswesen, dass von ihnen erwartet wird zu helfen. „Natürlich weiß ich das, aber ich habe nicht unterschrieben, dass ich Leib und Leben aufs Spiel setze.“ Auch keine Krankenschwester und kein Feuerwehrmann habe das unterschrieben: „Wenn’s brennt, laufen alle weg, nur der Feuerwehrmann geht da rein. Aber nicht in Badelatschen!“
Sie meint die fehlende Ausrüstung, die fehlende Masken, die Schutzkleidung, die vielerorts nicht zu bekommen waren. Tausende Nachrichten haben die Ärztin dazu erreicht. „Wir hatten Glück, wir hatten genug. Das war nicht überall so.“
Patienten in der Notaufnahme deutlich kränker aus sonst
„Beklagt haben wir uns nie“, sagt Doc Caro. „Das macht man nicht als Arzt. Man arbeitet. Man meckert nicht.“ So hat das Team die Notfallaufnahme umgebaut, Personal umgeschichtet, für jeden neuen Patienten die Schutzausrüstung angelegt, „das ist anstrengend“. Und ist noch anstrengender geworden, weil so viele Patienten sich nicht mehr ins Krankenhaus trauten: „Als sie endlich kamen, waren die deutlich kränker als sonst.“
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Urlaub gab es erstmal nicht, Überstunden dafür viele. Und eine hohe psychische Belastung: „Du hast permanent das Gefühl, du sitzt auf dem heißen Stuhl.“ Viele, gerade Assistenzärzte, hätten sich trotzdem freiwillig für Dienste auf den Corona-Stationen gemeldet.
Dafür will die Notärztin kein Geld. Bonuszahlungen, wie es sie nun in der Altenpflege geben soll, und nur dort, sei „nicht die Lösung, aber eine Form der Anerkennung“. Carola Holzner findet es „ungerecht“, dass über die Mediziner, auch in den privaten Praxen, gar nicht geredet wird. „Ich finde, man kann sich auch mal bei Ärzten bedanken.“
Kein Bonus für die Pflegekräfte, nur Schokolade und Lavendel
Und bei den Krankenschwestern und Pflegern, ob im Krankenhaus oder im ambulanten Bereich. Bei allen, die im Gesundheitssystem rund um die Uhr arbeiten. „Die fühlen sich alle nicht wertgeschätzt.“ Nicht einmal wahrgenommen. Und schon gar nicht verstanden. Kann ja auch keiner verstehen, sagt Doc Caro, wie es ist, „wenn du vollvermummt im Schockraum stehst und in den Atemwegen des Patienten bist“ – ein höheres Infektionsrisiko gebe es wohl kaum. Als Politiker („Ihr habt versagt“) oder Arbeitgeber könne man doch dafür keine Schokolade schenken. Oder Lavendel.
Wenn die 38-Jährige auf das schaut, was gerade passiert: die steigenden Infektionszahlen, die Urlauber („Ich kann keinen Lockdown machen und dann die Leute reisen lassen“), die Leugner, die Maskenverweigerer, obwohl doch „bewiesen ist, dass Masken schützen“ – dann macht sie sich „keine Sorgen“, dann hat sie Respekt vor dem Winter, vor der Grippesaison: „Nicht, dass wir das nicht schaffen, aber wir werden eine Situation haben, die uns vor Probleme stellt.“
Bestimmt werde es auch dann nicht an Beatmungsgeräte fehlen. An Ärzten auch nicht, obwohl sich einige angesteckt haben. Aber wer weiß, „vielleicht an Krankenschwestern“. Obwohl, natürlich ist Doc Caro das bewusst: Sie werden alle wieder anpacken. Die Berufung… Aber wenigstens, so endet der Beitrag, „wenigstens duftet es jetzt. Nach Lavendel“.
Info: Pflegebonus nur für Altenpfleger – Was ist mit den anderen?
Altenpflegekräfte erhalten nach einem Beschluss der Bundesregierung eine Prämie für ihre Arbeit während der Corona-Krise. Sie sollen den steuerfreien Pflegebonus von bis zu 1500 Euro mit ihrem nächsten Gehalt erhalten. Das Land NRW trägt bislang rund 75,1 Millionen Euro der Prämie, aus dem Bundeshaushalt wird der Restbetrag gestemmt. NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) sagte aber, für eine dauerhafte Wertschätzung benötige es Tarifverträge.
Das Pflegepersonal in den Krankenhäusern geht zunächst leer aus und beklagt eine „Spaltung der Berufsgruppen“, wie die Notärztin Carola Holzner sagt. Sie fordert Boni auch für Rettungsdienste, Polizei, Feuerwehr und Supermarkt-Angestellte – die sogenannten und viel beklatschten „Corona-Helden.“
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