Mülheim. In Schloss und Müga in Mülheim lebt das Mittelalter auf, Besucher können sich aus der Zeit fallen lassen. Auch an den nächsten Wochenenden.
Die heimelige Atmosphäre des Schlosshofs macht es leicht, die Realität nach der Corona-Kontrolle zu vergessen. Trotz der auf dem gesamten Gelände geltenden Maskenpflicht ziehen die mittelalterlich Gewandeten jeden in ihren Bann. Die herzliche Aufnahme bezaubert, findet das Ehepaar Angelika Werner und Ute Fröhlich-Werner aus Oberhausen. „Sehr schön alles!“ Wegen des heftigen Regens besuchen sie zuerst die überdachte Taverne mit ihren heißen Getränken.
Authentisches Ambiente für mittelalterliche Aktionen
„Gott zum Gruße, junge Maid!“, so lautet der Empfang an den Ständen, anschließend wird nach dem Begehr gefragt. Größtenteils Manufakturen bieten ihre Ware feil, ist der Schmied bei der Arbeit zu erleben, spielt das Barden-Duo „Pepperla Barden“ im Schlosshof anmutig auf. „Ich bin weit gereist mit nur einer Mission, jeden Met zu probieren.“ Die Lieder stammen aus der Feder der Musiker Jasper Jammermaul (Laute) und Ludwig Wolgemut an der Cister, die er „Heike“ nennt.
Die Zelte im Innenhof stehen weiter auseinander als sonst üblich, dafür ist die gesamte Müga-Wiese mit einbezogen für die circa 25 Stände – mehr als früher. Das so entstandene, weitläufige und angenehm luftige Szenario ist mehr als gelungen, finden die Besucher.
„Der Bierbauch ist echt“, singt Jasper Jammerlaut
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Mögliche Weihnachtsgeschenke gibt es zuhauf. Massageöle und Salben in der Duftmanufaktur. Alles selbst gemacht, auch die ausgefallene Keramik. „Etwas, das es nur einmal gibt, nicht in der Masse“, sagt die freundliche Händlerin. Lederwaren, ausgefallener Schmuck aus Bronze, mittelalterliche Rüstungen und Waffen. All das verbreitet einen wunderbaren Zauber. Authentisch nachempfundene Gewänder, Pullover aus reiner Wolle oder pflanzengefärbte Wolle. Anna und Maik Müller fertigen ihre Mützen selbst in der ältesten Form der Wollverarbeitung, dem Nadelbinden. Eine Technik, deren ältester Fund aus der Mittelsteinzeit stammt.
Dazu gibt es herrlich duftendes byzantinisches Naschwerk, im Kessel frisch gebrannte Mandeln in zig Variationen, deftiges Essen, Traumfänger gegen Alpträume und natürlich Trinkhörner. „Ablassfrei“, nennt Michael Durszewsky seinen Getränkestand zum Verkosten und Mitnehmen: Met, Likör und Gin, zum Teil in außergewöhnlichen Geschmacksrichtungen. Sie werden erfahrungsgemäß erst in den späteren Stunden nachgefragt. Wenn das Wetter nur besser wird, fügt er an, wie all seine Kollegen auch.
Eine große Gemeinschaft bilden sie, die Aktiven der Branche, die auf Brauchtumsmärkten ihr Reenactment ausleben, historisch authentisch agieren. Das haben sie alle vermisst letztes Jahr, gesteht Johannes Loos von der Taverne.
„Morgen Freybier“ lautet ein aufmunternd-gewitzter Trinkspruch
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Familie Hülsmann aus Mülheim weilt erstmalig auf diesem außergewöhnlichen Weihnachtsmarkt. Sebastian und Jennifer sind beeindruckt, dass alle, ob Künstler- oder Händlerschar, sich so aufs Mittelalter einlassen, konsequent im Stil des Mittelalters agieren. Während Baby Jule im Tragesack alles verpasst, hat der vierjährige Sohn Julian schon ein Ritterschwert umhängen, weiß aber noch nicht, was er von all dem zu halten hat. Zwei Stunden später erzählt Mutter Jennifer begeistert vom Märchenzelt und der Gauklershow. „War super!“, sagt sie, und ihr Mann ergänzt: „Das hat sich gelohnt.“ Und dass Julian alleine hat singen sollen, der auch prompt erneut „Schneeflöckchen, Weißröckchen“ gelassen und hochzufrieden vorträgt.
Mit dem beliebten Krippenspiel stimmen zwei – historisch nicht ganz korrekte – Proklamatorinnen vortrefflich auf das Weihnachtsfest ein. Damals mimten ausschließlich Männer, selbst Maria. „Die ehemaligen Kinder bringen jetzt schon ihre Kinder hierher mit“, erzählt Margareta Cardenio. Zusammen mit Johanna Rupp übersetzt sie die lateinisch vorgetragene Weihnachtsgeschichte, allerdings ins Mittelhochdeutsche. Dieses eigentümliche Deutsch mit ganz spezieller Sprachmelodie zwingt zum aufmerksamen Zuhören. Dadurch wirkt die traditionelle Weihnachtsgeschichte noch eindringlicher, leuchten die Kinderaugen noch heller. „Auch die Erwachsenen lassen sich verzaubern“, sagt Johanna. Alles wunderbar in Szene gesetzt durch mysteriös in grün beleuchtete Stege und Wege am neuen Standort zwischen Europapavillon und Finnenpavillon.
Am gegenüberliegenden Lager sind die Künstlergruppen in einer authentischen mittelalterlichen Szenerie zu erleben: Echte Schaf-Felle zum Wärmen, Schwertständer statt Schirmständer, die vielen Feuerkörbe, all das vermittelt einen wohligen Eindruck. Viele Besucher stimmen Astrid und Dirk Nawroth zu: „Wir kommen wieder. Vielleicht schon morgen.“