Mülheim. Die neue „Lichterführung durch Schloß Broich“ der Mülheimer MST macht Geschichte greifbar. Besucher bewundern die Ur-Anlage und noch viel mehr.

Einige Besucher der allerersten „Lichterführung durch Schloß Broich“ mögen während des spannenden Vortrags von Anne Kebben ganz kurz die Neuzeit verflucht haben. Denn wäre einst nicht die Ruhrtalbahn aufgrund der Industrialisierung nötig gewesen, wäre die Duisburger Straße einfach nicht gebaut worden. Dann gäbe es vielleicht immer noch den imposanten Barockgarten, der sich weit hinter dem Schloss ausgebreitet hatte.

Ein Juwel der Stadt

Als „Juwel der Stadt“ bezeichnet Anne Kebben vom Mülheimer Geschichtsverein das Schloss an der Mühlenberg-Kreuzung. Dabei wartet Schloß Broich mit einer bewegten und bewegenden Geschichte auf. Aus dem Jahre 883 stammen die ersten Überreste, gegen die Wikinger errichtet. Familiensitz der Familie von Broich war das Schloss – daher auch der Name, der sich vor allem an Preußens Königin Luise bindet, deren Büste die Besuchergruppe im Treppenhaus des 1. Stocks bewundern kann.

Die spätkarolingische Ur-Anlage des Schlosses und im Hintergrund die erleuchtete Mülheimer Innenstadt.
Die spätkarolingische Ur-Anlage des Schlosses und im Hintergrund die erleuchtete Mülheimer Innenstadt. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Anders als bei üblichen Schloss-Besichtigungen müssen keine Filzpantoffeln übergezogen werden, denn Schloß Broich wird aktiv genutzt, dient nicht nur als Firmensitz der Mülheimer Stadtmarketing und Tourismus GmbH. Diverse Räumlichkeiten können auch von der Bürgerschaft zum Feiern angemietet werden.

Eingang zur einstigen Gruft

Zum Beispiel die Tecklenburger Kammer, in der sich eine Falltür befindet, Eingang zur einstigen Gruft der Herren von Broich. Zwei der Sargdeckel können im Museum (nebenan im Hochschloss) bewundert werden. Zu besichtigen ist die Gruft leider nicht mehr, aber das früher abschließende Gitter hängt an der Wand und dient für Deko-Zwecke, wie weiße Herzen darauf beweisen.

Die Besuchergruppe besichtigt den Wehrgang am Schloß Broich in Mülheim.
Die Besuchergruppe besichtigt den Wehrgang am Schloß Broich in Mülheim. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Auch die geheimnisvoll wirkende Wendeltreppe hinauf in das Paradezimmer des Schlosses, den Rittersaal, darf die Besuchergruppe nicht begehen. Brandschutzgründe verbieten es. Vermutlich war es einfach nur die schnellste Verbindung von unten nach oben für die Dienerschaft. Unvorstellbar, dass sich in diesem engen Treppenhaus Hochwohlgeborene bewegt haben könnten. Als Anne Kebben im Wappenzimmer mit dem ausgefallenen Parkettboden darauf hinweist, es könne für Trauungen gebucht werden, wirft ein junger Mann stolz „Im Sommer“ ein, und das zukünftige Ehepaar strahlt um die Wette.

Imposante Zimmerflucht fasziniert

Einen der erhebendsten Momente erlebt jede Besucherin und jeder Gast aber allein: Vom hintersten Türsturz im Wappenzimmer über das davor gelagerte, der Öffentlichkeit zugängliche Kaminzimmer, über das großzügig angelegte Treppenhaus und das daran anschließende Vorzimmer reicht der Blick bis in den imposanten Rittersaal. Solch eine imposante Zimmerflucht ist vornehmlich in königlichen Schlössern zu finden, fasziniert aber auch hier ungemein.

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Vom Rittersaal mit seiner Holzdecke geht es dann hinaus in die Kälte. Außergewöhnlicherweise darf der Verbindungsgang zwischen Schloss und Hochschloss nächtens begangen werden, Stolperfallen sind nur durch künstliche Beleuchtung auszumachen. Eisiger Wind pfeift um die Köpfe, lässt nur kurz im Windschatten des Hochschlosses nach, fegt dann aber umso heftiger, als der zehn Meter hohe Wehrgang endgültig erreicht ist.

Sensationelle Aussicht auf die Innenstadt

Welch sensationelle Aussicht auf die Stadt, aber auch welch phantastische Perspektive auf die spätkarolingische Ur-Anlage tief unten. Handys und Fotoapparate werden gezückt, doch die meisten sind überfordert mit der langen Belichtungszeit, schaffen es nicht, moderne städtische Lichtquellen und stimmungvolle Schloss-Beleuchtung auf ein einziges Foto zu bannen. Also genießen alle einfach nur das atemberaubende Erlebnis.

Fassungsloses Kopfschütteln, als Anne Kebben erzählt, wie einst Eduard Stöcker im 19. Jahrhundert eine klassizistische Villa direkt auf diesem ältesten Teil errichten ließ. Die umgebende Mauer musste natürlich abgetragen werden, schließlich wollte er einen besseren Ausblick auf die Ruhrfurt haben. Niemand scheint der Villa heutzutage eine Träne nachzuweinen, zu beeindruckend sind die nun freigelegten Überreste von vor über 1.100 Jahren. Die Besucherinnen und Besucher können die Lichterführung „wirklich nur weiterempfehlen!“.