Mülheim. Ein provokantes Wahlplakat der „Partei“, das auf Probleme in der Pflege aufmerksam machen soll, kommt nicht bei allen in Mülheim gut an.
Die Provokation ist offensichtlich. Die Satire-Partei „Die Partei“, die seit der Kommunalwahl 2020 auch im Mülheimer Stadtrat sitzt, wirbt vor der CDU-Geschäftsstelle an der Bahnstraße auf einem Plakat mit einem Porträt des Bundesgesundheitsministers Jens Spahn (CDU). Die Beschriftung des Wahlplakates lässt schlucken: „Sterbehilfe legalisieren! Pflege entlasten“.
Mülheimer Kreisvorsitzender der „Partei“ verweist auf satirischen Ansatz
Der stellvertretende Vorsitzende des Kreisverbandes der „Partei“, Karsten Wusthoff, erklärt zu dieser Aufschrift, die auf den ersten Blick an die menschenverachtende Euthanasie-Politik der Nationalsozialisten erinnert, auf Anfrage dieser Redaktion: „Natürlich steht Die PARTEI auch in Mülheim hinter ihren Plakaten. Die Partei bedient sich des Mittels der Satire. Dass diese manchmal Geschmacksgrenzen auslotet, dabei auch überschreitet, liegt in der Natur der Sache.“
Das Plakat, so Wusthoff weiter, solle „auf die prekäre Lage der Pflegekräfte, die täglich um Menschenleben kämpfen, aufmerksam machen und die unmenschlichen Zustände, unter denen sie auch aufgrund der Bedingungen, für die der auf dem Plakat abgebildete Bundesgesundheitsminister Jens Spahn mitverantwortlich ist, arbeiten müssen, sarkastisch kritisieren. Falls jemand den Inhalt des Plakats missversteht oder sich zu Unrecht angegriffen fühlt, tut uns das leid. Wir nehmen die in Ihrer Anfrage mitschwingende Kritik aber an und überlegen, künftig, wie die anderen Parteien, auf inhaltliche Aussagen zu verzichten und stattdessen nur noch Floskeln wie „Klima retten und Arbeitsplätze schaffen“ zu verwenden.“
Pflegedienstleiter kann über Wahlplakat nicht lachen
Der Mülheimer Altenpfleger Oskar Dierbach, der als Pflegedienstleiter im Haus Ruhrgarten und im Haus Ruhrblick verantwortlich ist, sagt mit Blick auf das Partei-Plakat: „Darüber kann ich nicht lachen, weil das weder witzig noch intelligent ist. Denn es setzt voraus, dass dieses Plakat für alle auf den ersten Blick als Satire erkennbar ist. Das ist hier aber nicht der Fall. Und deshalb befördert dieses Plakat ein menschenverachtendes und sozial-darwinistisches Denken, das leider heute in breiten Kreisen unserer Gesellschaft gedacht und unterstützt, aber nur selten ausgesprochen wird.“
Der an der NRW-Hochschule für Polizei & Verwaltung lehrende Politikwissenschaftler Prof. Dr. Stefan Piasecki sagt angesichts des provokanten Plakates: „Ich sehe es mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Die Partei zeigt sich als die Monty Pythons unserer Demokratie und weist satirisch zugespitzt auf ein wichtiges gesellschaftspolitisches Thema hin. Aber das Plakat setzt Interpretationskompetenz voraus, die man in unserer heute sozial und kulturell zunehmend heterogenen Gesellschaft vielleicht nicht grundsätzlich voraussetzen kann. Das macht das Plakat möglicherweise missverständlich.“