Mülheim. Trotz der Auftaktniederlage gegen Frankreich genossen die Mülheimer sichtlich das gemeinsame Fußballgucken in großer Runde.
Endlich wieder gemeinsam mitfiebern, zittern, auch ein bisschen pöbeln - wenngleich es beim ersten EM-Spiel der deutschen Nationalmannschaft am Ende nichts zu jubeln gab, genossen viele Fans sichtlich das gemeinsame Fußballgucken.
Eine halbe Stunde vor dem Anpfiff hatte sich der Biergarten des Schilderhauses an der Südstraße komplett gefüllt. Zum ersten Mal seit eineinhalb Jahren. „Gut, dass die Lockerungen jetzt so stattgefunden haben, sonst hätten wir gar nicht so sitzen können"; freute sich Wirt Kai Stefaniak freilich über den guten Besuch. 84 Plätze waren schnell ausgebucht.
Sein Biergarten ist seit Freitag für die Spiele der Europameisterschaft gerüstet, „aber bei den anderen Spielen waren vielleicht 20 Leute da", berichtet der Schilderhaus-Chef. Zum Auftakt des Weltmeisters von 2014 wurde es erwartungsgemäß zum ersten Mal voll.
Vorsänger sorgen für die richtige Stimmung bei der Nationalhymne
Die Tatsache, dass die Nationalhymne über die Leinwand kaum zu hören war, spielte keine Rolle. Ein paar Vorsänger feuerten den restlichen Biergarten an und sorgten für den richtigen, stimmungsvollen Auftakt. Kurz nach dem Anstoß der Deutschen kamen gleich die ersten fußball-typischen Pöbeleien auf. „Schiri, der hat schon Gelb!“ Hat man das vermisst? Ganz ehrlich? Ein bisschen.
Auch ein „Franzose“ hatte sich unter das Publikum gemischt. Christopher Müller, Spieler von Union 09, verbrachte viele Sommer seiner Jugend auf einem Bauernhof seiner Eltern in der Bretagne. Als er im Trikot von Antoine Griezman den Biergarten betrat, erntete er Buh-Rufe. „Mir ist es eigentlich egal, wer gewinnt. Das mit dem Trikot ist vielleicht auch ein bisschen Provokation", schmunzelte Müller, der zu berichten wusste, dass der deutsche Fußball im Nachbarland nach wie vor einen hohen Stellenwert genießt. „Vielleicht auch, weil vier Franzosen bei Bayern München spielen."
Mülheimer Fußballfans freuen sich über Kleinigkeiten
Er sprang als Einziger auf, als Mats Hummels den Ball in der 20. Minute ins eigene Tor bugsierte. Die restlichen Mülheimer Fußballfans mussten sich derweil mit dem Bejubeln gelungener Abwehraktionen oder des kämpferischen Einsatzes der deutschen Spieler bejubeln. Man musste sich über die Kleinigkeiten freuen. Etwa als der Fernseher für kurze Zeit auszugehen drohte. Wirt Kai Stefaniak wendete das Unheil mit einem Druck auf die Fernbedienung ab. Szenenapplaus.
Nach der Pause hatten die Emotionen dann wieder mehr mit dem Spielverlauf zu tun, denn das DFB-Team war in der ersten Viertelstunde nach dem Seitenwechsel das deutlich stärkere und hatte mehrere Chancen auf den Ausgleich. Über 80 Fans gaben alles, um mehrfach einen Elfmeter zu erschreien, den es dann doch nicht gab. „Komm jetzt, 1:1", oder „weiter, weiter.."-Rufe schallten durch den Biergarten.
Schadenfreude beim nicht gegebenen Mbappé-Tor
Jubeln konnte am Ende doch wieder nur Christopher Müller - über ein vermeintliches Tor von Mbappé. Die Schadenfreude über den Abseitspfiff war fast lauter als er bei einem deutschen Treffer gewesen wäre.
Bei jedem deutschen Angriff wurde das Stimmengewirr noch einmal lauter, das Publikum blieb hoffnungsfroh. „Eigentlich müsste Deutschland gewinnen", meinte einer - wenige Sekunden, bevor Benzema das zweite Tor Frankreichs erzielte, das wegen einer Abseitsstellung nicht zählte. „Auf geht's Deutschland, auf geht's", stimmte die Südstraße an.
Unabhängig vom Ergebnis: Auftakt machte Lust auf mehr
Aber auch über sieben Minuten Nachspielzeit sollten nicht mehr reichen. Recht still nahm die Menge den Abpfiff zur Kenntnis. Auch wenn das Ergebnis nicht stimmte: Dieser gemeinsame Fußballabend machte Lust auf mehr. Am Samstag trifft Deutschland im zweiten Spiel auf Portugal. Dann wird es auch in Mülheims Kneipen und Biergärten wieder voll sein.