Mülheim. Jeder Bürger hat einmal pro Woche Anspruch auf einen kostenlosen Corona-Schnelltest. Ein Mülheimer wunderte sich nun: Ein Arzt verlangte Geld.
Einmal wöchentlich können Bürger einen kostenlosen Corona-Schnelltest machen lassen, den sogenannten Bürgertest. Unter anderem ist dies möglich in Arztpraxen. Ein Mülheimer Bürger staunte nun nicht schlecht, dass ihm eine Arztpraxis dafür Geld abknöpfen wollte.
Noch vor Ostern wollte sich der 68-Jährige aus Broich einem Schnelltest unterziehen. Er war symptomfrei, wollte aber für die bevorstehenden Feiertage eine Corona-Infektion ausschließen lassen. Den Anspruch auf einen kostenlosen Schnelltest in Arztpraxen, Apotheken oder privat betriebenen Testzentren hat seit Kurzem jeder Bürger einmal pro Woche. Das regelt eine Testverordnung des Bundes.
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Mülheimer Praxis verlangt 29,50 Euro für Schnelltest, der für Bürger kostenlos sein soll
Der 68-Jährige schaute auf die Infoseiten der Stadt im Internet, fand dort die Liste an kostenlosen Schnellteststellen. „Also wunderbar, denke ich, frisch ans Werk und schnell einen Termin machen“, schildert der Broicher sein Vorgehen. Weil sein Hausarzt im Urlaub weilt, schreibt er die nächstgelegene Arztpraxis an und fragt einen Termin an. Es ist das „Institut Speldorf“ des Mediziners Stephan von Lackum, in Mülheim bekannt als Leitender Impfarzt der Stadt und Vorsitzender der örtlichen Kassenärztlichen Vereinigung.
Die Antwort, die der Broicher auf seine Anfrage von der Arztpraxis bekommt und die dieser Redaktion vorliegt, lässt ihn ratlos zurück: Die Praxis verlangt Geld für den eigentlich doch kostenlosen Schnelltest. Wörtlich heißt es in der Mail: „Wir führen den kostenlosen Bürgerschnelltest nur bei unseren eigenen Patienten durch. Gerne bieten wir Ihnen trotz dessen den Schnelltest als Selbstzahler-Leistung für 29,50 Euro an oder, wenn Sie den PCR-Test wünschen, für 86 Euro.“
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Arzt räumt „Fehler“ ein, aber: Schnelltests nur für den eigenen Patientenstamm
Auf Anfrage der Redaktion nahm Inhaber Stephan von Lackum Stellung zu dem zweifelhaften Angebot seiner Praxis, 29,50 Euro für einen Schnelltest zu verlangen. „Wer viel macht, dem können auch Fehler unterlaufen“, bestätigte er, dass Schnelltests grundsätzlich kostenlos sein müssten für Bürger, „die keine Symptome haben“.
Richtig sei aber, dass er in seiner Praxis kostenlose Schnelltests nur für den eigenen Patientenstamm anbiete, das sei sein gutes Recht als Akteur der „freien Wirtschaft“. Von Lackum begründet den Ausschluss anderer Patienten mit der starken Corona-Zusatzbelastung für seine Praxis. „Für die Schnelltests stehen die Leute schon Schlange bis auf die Straße“, sagt von Lackum. Es müsse auch noch Zeit bleiben für das medizinische Alltagsgeschäft. Sein Team sei angehalten, Anfragen außerhalb des eigenen Patientenkreises etwa an die Angebote in privaten Testzentren wie jenes am Flughafen zu verweisen.
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Manipulationsmöglichkeit? KV und Ministerium nehmen nur vage Stellung
Selbst auf Nachbohren dieser Redaktion positionierte sich die Kassenärztliche Vereinigung (KV) nicht deutlich zum besagten Fall. Auch das NRW-Gesundheitsministerium ließ auf Nachfrage offen, ob es Vorkehrungen oder Bestimmungen gibt, die eine mögliche Manipulation ausschließen, dass Arztpraxen sich für die Schnelltestungen womöglich gar doppelt entlohnen lassen könnten, wenn sie arglosen Patienten dafür einen Betrag in Rechnung stellen. Die Bürgertests in Arztpraxen werden laut Testverordnung des Bundes ohnehin mit 15 Euro vergütet. Zusätzlich können Praxen Sachkosten in Höhe von sechs Euro (im März noch 9 Euro) abrechnen.
Shopping-Frust: Wegen Mittagspause kein Schnelltest
Die Möglichkeiten in der Stadt, einen Schnelltest machen zu lassen, um etwa shoppen gehen zu können, können auch für anderen Frust sorgen, wie die Schilderung einer Bürgerin aus der vergangenen Woche zeigt:
„Mein Mann und ich wären sehr gerne mit negativem Corona-Test in der Innenstadt shoppen gegangen, doch leider war dies nicht möglich. Wir recherchierten vorher im Internet, welche Stellen einen Schnelltest anbieten und fuhren dann von Saarn aus mit dem Fahrrad in die Stadtmitte. Als wir um 12.30 Uhr eine Apotheke betraten, sagte man uns, dass die kostlosen Testungen dort nur bis zwölf Uhr und ab 15 Uhr möglich seien.
Wir hätten zweieinhalb Stunden warten müssen. Natürlich hätten wir auch in eine der im Internet angegebenen Arztpraxis gehen können, die aber sehr wahrscheinlich zu diesem Zeitpunkt Mittagspause gehabt hätten. So sind wir unverrichteter Dinge wieder nach Hause gefahren. Schade! Mehr Teststellen, die von morgens bis abends aufhaben, wären unserer Meinung sinnvoll.“
„Warum der Arzt in dem von Ihnen geschilderten Fall die Testung nicht kostenfrei ermöglicht hat, lässt sich ohne weitere Informationen von hier aus nicht beurteilen“, ließ ein Ministeriumssprecher nur wissen, ohne auch nur anzudeuten, welche Informationen das Ministerium denn für eine „Beurteilung“ benötigen würde. Die KV vermied bei der wiederholt gestellten Frage, in welchen Fällen es Arztpraxen erlaubt sein könnte, Rechnungen für Schnelltests zu schreiben, auch eine Wertung des speziellen Mülheimer Falles. Sie verwies lediglich darauf, dass „etwa Testungen im Auftrag von Arbeitgebern“ nicht kostenlos und deshalb privat zu zahlen seien.
Bürger bekommt seinen kostenlosen Schnelltest in einer anderen Arztpraxis
Geld bezahlen für einen Schnelltest, der doch eigentlich kostenlos sein soll? Der Bürger aus Broich ließ sich übrigens nicht auf das Angebot der Speldorfer Arztpraxis ein. Er vereinbarte einen Termin in einer anderen Arztpraxis (ebenfalls nicht sein Hausarzt) – und zahlte nichts.