Mülheim. Marius Zimniak war einer der ersten, der beim Großbrand in Mülheim-Speldorf vor Ort war. Er erzählt von einer Schlacht – gegen Feuer und Eis.
Zu den ersten Feuerwehrleuten, die in der Nacht zum Montag am lichterloh brennenden „Hafencenter“ ankamen, zählte Marius Zimniak. Die Flammen waren riesengroß und der Kampf gegen sie für sich allein schon eine Herausforderung. Dass der Einsatz zudem bei minus fünf Grad stattfand, machte die Sache für den 23-Jährigen und die Kameraden nicht leichter. Immer wieder froren Teile der Ausrüstung und der Kleidung ein. Es entwickelte sich ein Einsatz, den keiner vergessen wird.
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Am Sonntagmorgen um 8 Uhr hatte der junge Brandmeister seinen 24-Stunden-Dienst in der Hauptwache in Broich angetreten. „Und eigentlich war alles wie immer“, erzählt Zimniak drei Tage danach. Ein-, zweimal sei er kurz zu einem Einsatz mit rausgefahren, ansonsten war alles ruhig. Abends legte er sich hin, genau wie die Kameraden; für jede Fahrzeug-Besatzung gibt es einen eigenen Ruheraum. Um 0.26 Uhr allerdings ist Schluss mit Schlafen: Das nun hell erleuchtete Zimmer zeigt an, dass das Team sofort gebraucht wird – und so sitzen Zimniak und die Zimmergenossen in kürzester Zeit im Hilfeleistungslöschfahrzeug. Trotz eisglatter Straßen brauchen sie gerade drei Minuten zum früheren Real-Komplex an der Weseler Straße.
Brandmeldeanlage hatte Alarm ausgelöst
Feuerwehr schlägt Schneisen, um an Glutnester zu gelangen
Marius Zimniak ist mit 23 Jahren ein vergleichsweise junger Kollege bei der Berufsfeuerwehr Mülheim. Doch auch ältere Hasen können sich kaum an ähnlich heftige Einsätze erinnern wie den kürzlich auf dem früheren Real-Gelände oder den vor knapp fünf Monaten auf der A 40. Pressesprecher Thorsten Drewes ist seit 35 Jahren dabei und fand den Hallenbrand von seinen Ausmaßen her „schon sehr spektakulär“. Und der Brand eines Tanklasters sei so selten, dass „höchstens zehn Prozent aller Feuerwehrleute“ so etwas erlebten, sagt Drewes.
Der Einsatz an der Weseler Straße ist übrigens noch immer nicht abgeschlossen. Am Mittwoch war die Feuerwehr unter anderem damit beschäftigt, rund zehn Meter breite Schneisen durch das abgebrannte Gebäude zu schlagen, um an letzte Glutnester zu gelangen.
Eine Brandmeldeanlage hatte Alarm ausgelöst, „und schon bei der Anfahrt haben wir gesehen, dass es sich um ein großes Feuer handelt“. Der Einsatzleiter bewertet das Geschehen neu, ruft eine höhere Alarmstufe aus. Immer mehr Einsatzkräfte steuern das langgezogene Gebäude an, in dem seit Monaten die Ausbauarbeiten zum „Hafencenter“ laufen. Dass die Pläne zur Eröffnung im Sommer massiv bedroht sein könnten, glaubt jeder, der vor Ort ankommt. „Die Lagerhalle stand ja schon in Vollbrand.“ Nun gilt es unbedingt, die nahe Tankstelle zu schützen.
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Auch Ziminak und ein Kollege werden zunächst an dem neuralgischen Punkt eingesetzt. Sie wollen einen mobilen Wasserwerfer via Schlauch an einen Hydranten anschließen und ihn so platzieren, dass er mit einer Art Wasser-Vorhang permanent verhindert, dass die Flammen auf Zapfsäulen und andere sensible Bereiche übergreifen. Das Vorhaben scheitert zunächst. „Der Rauch wurde vom Wind so stark heruntergedrückt, dass wir dringend Atemschutzgeräte brauchten.“ Zusätzlich ausgerüstet kann der Trupp bald darauf die Aufgabe beenden.
Mauer drohte einzustürzen und auf die Elbestraße zu kippen
Das Duo Zimniak und Partner kämpft nun an der Rückseite des Komplexes gegen die Flammen, an der Lkw-Laderampe entlang der Elbestraße. Die Männer stehen zwischen mehreren Anhängern und greifen zu zwei Strahlrohren, mit denen kurz zuvor noch Kollegen gelöscht haben, deren Atemluftflaschen nun aber leer sind. „Die Mauer drohte einzustürzen und auf die Elbestraße zu kippen“, erzählt der 23-Jährige. Zu diesem Zeitpunkt steht er direkt auf der Laderampe, nur etwa vier Meter entfernt von den bis zu 30 Meter hohen Flammen. Die Gefahr ist zu groß, er klettert hinab, löscht von der Straße aus weiter, bis auch seine Flasche nach rund 30 Minuten leer ist.
Der dritte Auftrag, den der Brandmeister erhält, dient wieder dem Schutz der Tankstelle. „Durch ein kleines Loch an einem Rolltor der Waschstraße haben wir gesehen, dass sich das Feuer schon bis dorthin gefressen hatte.“ Mit einer Axt zerlegt der Feuerwehrmann eine Fensterfront, damit das Wasser auch dort landen kann, wo es hin soll. Mit dem Strahlrohr macht Zimniak sich anschließend erneut ans Werk. Von der Hitze des Feuers bemerkt er nichts. Im Gegenteil: Das Eis macht ihm mittlerweile massiv zu schaffen. Beim Löschversuch durchs Fenster entsteht ein Wassernebel, der durch den Wind überallhin verteilt wird. Bei Temperaturen über Null Grad wären die Feuerwehrleute – trotz imprägnierter Jacken – bis auf die Haut durchnässt worden. Nun ist es schlimmer, das Wasser gefriert sofort. „Es fühlte sich an wie in einem Eiskostüm, wie in einer Jacke aus Stahl.“ Er habe sich kaum noch bewegen können, sagt Zimniak.
Auch das Visier vom Atemschutzgerät wird beim Eis-Einsatz zum Problem
Auch das Visier vom Atemschutzgerät wird beim nächtlichen Eis-Einsatz zum Problem. „Das Wasser ist darauf gefroren – man konnte fast nichts mehr sehen.“ Das dringend nötige Trinken fällt aus, wer die Maske anhebt, riskiert, dass sie auch von innen zufriert. Selbst der Lungenautomat, der zum Atmen nötig ist, hält den Minustemperaturen nicht stand, berichtet Zimniak. So muss er seine Arbeit unterbrechen, obwohl die Flasche auf dem Rücken noch nicht leer ist. Kollegen lösen ihn ab. Er setzt sich in eines der Fahrzeuge, um aufzutauen, um wieder etwas warm zu werden. „Daraufhin aber war meine Kleidung so nass, dass sie draußen innerhalb von zwei Minuten wieder gefroren ist.“
Brand in Mülheim- Feuerwehr-Großeinsatz bei eisiger Kälte
Gegen 5.30 Uhr kehrt Zimniak zur Wache zurück, die triefnasse, durch Rußpartikel kontaminierte Kleidung landet in der Wäsche. Die Kollegen essen Brötchen, trinken etwas – und sind in neuer Kleidung rund anderthalb Stunden später schon wieder am Brandort zurück, um die Kollegen der Heißener Wache abzulösen. Es geht weiter in der Kälteschlacht; „es hat sich fast nichts mehr richtig bewegt“, schildert Zimniak. An den Drehleitern sind mittlerweile Eispanzer und auch die Schläuche gefrieren immer wieder. „Wir haben den Spreizer eingesetzt, um die Eisstücke in den Schläuchen zu zerdrücken.“ Für gewöhnlich wird dieser genutzt, um Unfallopfer aus Autos zu befreien. Um 11 Uhr endet Zimniaks Einsatz.
Einsatz sei trotz aller Probleme „reibungslos“ über die Bühne gegangen
Es waren besondere Stunden, die die Feuerwehrleute aus Mülheim und den umliegenden Städten erlebt haben. „Das Schwierige“, sagt Zimniak, „war nicht das Feuer, sondern die Kälte.“ Die eigene Arbeitsleistung sei unter diesen Bedingungen „eine andere gewesen“ als normalerweise. „Wenn man einmal durchgefroren ist, wird man nicht mehr warm – das kennt man ja vom Weihnachtsmarkt.“ Alle Kollegen hätten „das gleiche Leiden“ durchgemacht – „gejammert aber hat keiner, sondern seinen Job erledigt und sich zwischendrin immer wieder aufgewärmt“. Der Einsatz sei trotz aller Widrigkeiten „reibungslos“ über die Bühne gegangen.
In Erinnerung wird er dem Feuerwehrmann dennoch bleiben, ganz ähnlich wie der Tanklaster-Brand auf der A 40 Mitte September 2020. „Das waren die mit Abstand heftigsten Einsätze, die ich erlebt habe.“